Auf dem Kommunalwirtschaftsforum 2024 mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz in Bad Ischl durfte ich für mehrere hundert Bürgermeister:innen und Führungskräfte aus Stadt-, Markt- und Gemeindeämtern die Abschluss-Keynote halten:
„Zukunft braucht Zuversicht
Wie „mehr digital“ „mehr menschlich“ ermöglicht
Digitalisierung ernst nehmen
Der Zug der Digitalisierung hat während Corona ordentlich Fahrt aufgenommen – mit großer Beschleunigung in den letzten Jahren. Es wäre ein Fehler, KI zu unterschätzen oder zu ignorieren. Künstliche Intelligenz ist nicht mehr Zukunft. Sie ist längst in der Gegenwart angekommen.
Vor zwei Jahren habe ich noch gelästert: „Ich fürchte mich vor der Künstlichen Intelligenz, wenn sie einmal Wortwitz verstehen wird.“
ChatGPT im Humortest
In meiner Entdeckungsfreude habe ich ChatGPT gefragt: „Was meinst du zu dem Satz: „Ich habe mich gewogen. Mit der Wasserwaage. Ich bin wirklich schräg.“ Seine Antwort hat mich beeindruckt: „Der Satz hat einen humorvollen Touch und spielt mit der Doppeldeutigkeit des Wortes „gewogen“, das sowohl „sich selbst wiegen“ als auch „etwas mit einer Wasserwaage ausrichten“ bedeuten kann. Die Verwendung des Wortspiels verleiht dem Satz eine lustige Note und erzeugt einen Effekt der Selbstironie, indem die Person zugibt, dass sie im übertragenen Sinne „schräg“ ist, weil sie sich mit einer Wasserwaage gewogen hat. Insgesamt ist es ein kreativer und amüsanter Satz.“
Ich wollte es genauer wissen. Also frage ich die Generative Künstliche Intelligenz: „Findest du diesen Satz lustig?“ Und wieder war ich von der Qualität seiner Antwort überrascht: „Ja, ich finde den Satz lustig! Er verwendet ein Wortspiel, das eine unerwartete Interpretation des Begriffs „gewogen“ einführt und dadurch Humor erzeugt. Die Selbstironie verstärkt den humorvollen Effekt, was den Satz zu einer gelungenen komischen Aussage macht.“
Mit meiner Lust am gründlichen Hinterfragen, setze ich nach: „Kannst du darüber lachen?“ Seine selbstbezügliche Antwort zeigt die – zumindest aktuellen – Grenzen auf: „Als KI-Modell habe ich keine Emotionen oder ein Bewusstsein im menschlichen Sinne, daher kann ich nicht im wörtlichen Sinne lachen. Allerdings kann ich verstehen, was als humorvoll empfunden wird, und entsprechend darauf reagieren.“
Copilot im Humortest
Beeindruckt vom Ergebnis habe ich mich auch für die Business-Version von Copilot entschieden. Natürlich habe ich ihn gleich dem Humortest unterzogen. Die erste Frage hat er sinngemäß gleich beantwortet. Allerdings hat er nur in der Einstellung „GPT-4 Precise“ auch die zweite Frage gleich beantwortet. In der Variante „GPT-4 Creative“ hat er glatt behauptet: „Natürlich lache ich darüber. Das ist lustig, weil …“ Dieses Vortäuschen von „echten“ Emotionen halte ich für bedenklich. Die kritische Variante, die weniger zum Halluzinieren neigt, ist auch im allgemeinen meine Einstellung.
Rationale versus emotionale Empathie
Die Künstliche Intelligenz ist in der Zwischenzeit erstaunlich gut in rationaler Empathie, d.h. im Verstehen von Emotionen aufgrund von Mimik, Gestik und Körpersprache visuell sowie aufgrund von Wortwahl und Satzbau linguistisch. Wozu KI bis auf weiteres nicht fähig ist emotionale Empathie, d.h. empfundenes Mitfühlen. Das Beispiel meines KI-Humortests zeigt, wie gut KI mittlerweile auf der Metaebene Emotionen richtig interpretiert und darauf angemessen reagiert. Dazu ein zweites Beispiel:
Ich frage ChatGPT: „Ich bin traurig. Kannst du mich trösten?“ Mit rationaler Empathie antwortet er: „Natürlich kann ich versuchen, dich zu trösten. Es tut mir leid zu hören, dass du traurig und niedergeschlagen bist. Möchtest du darüber sprechen, was dich belastet, oder brauchst du einfach nur jemanden, der dir zuhört?“ Ja, ich will darüber sprechen. Also gebe ich ihm die Information: „Es gibt so viele Kriege mit unzähligen Toten.“ Seine höchst angemessene Antwort: „Es ist verständlich, dass solche Nachrichten und Ereignisse schwer auf einem lasten können. Es ist wichtig, sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern und auch in schwierigen Zeiten für sich selbst da zu sein. Wenn du dich überwältigt fühlst, kann es hilfreich sein, dich mit positiven Aktivitäten oder Menschen zu umgeben, die dir guttun. Wenn du möchtest, können wir auch über andere Themen sprechen, die dich interessieren oder ablenken könnten.“
Keine Frage: Sich verstanden fühlen, kann schon sehr guttun. Menschliches Mitfühlen und Trösten hat noch einmal eine ganz andere Qualität.
Angst vor der Künstlichen Intelligenz?
KI versteht augenscheinlich Humor und Wortwitz. Fürchte ich mich jetzt vor KI? Ich widerrufe meine seinerzeitige Aussage, dass ich mich deshalb vor KI fürchte.
Als Gründungsvorständin vom Club Max Reinhardt Seminar habe ich mir die Diplominszenierung – die Abschlussarbeit des Regiestudiums – von Bianca Thomas mit großem Interesse angesehen: „K.I. und Abel“. Sie hat das Stück im Wechselspiel mit Künstlicher Intelligenz geschrieben. Den Titel ihres Theaterstücks hat sie in Anspielung auf Kain und Abel gewählt. Wer setzt sich durch? Behalten wir die Oberhand über die KI oder werden wir von der KI verknechtet?
Ich denke es liegt an uns, wie wir als Gesellschaft mit Künstlicher Intelligenz umgehen. Ich bin davon überzeugt, dass es viel menschliche Intelligenz braucht, um das MITEINANDER von Künstlicher Intelligenz mit menschlichen Qualitäten zu gestalten.
Digitaler Humanismus
Als 20-jährige habe ich im Rahmen meines Physik-Studiums an den Verbindungsstellen zu Philosophie & Psychologie an einem Kongress zur Ethik der Physik im Deutschen Museum in München teilgenommen. Damals wurde erörtert, welche Verantwortung Physiker:innen für ihre Forschungsergebnisse tragen. Die Atombombe wäre schließlich z.B. ohne die berühmte Formel von Albert Einstein
E = m*c2
nicht möglich gewesen.
Jetzt engagiere ich mich als Botschafterin von WOMENinICT für Digitalen Humanismus. Er bezieht sich auf die Idee, dass die Entwicklung und Nutzung von Technologie im Einklang mit den menschlichen Werten und Bedürfnissen erfolgen sollten. Dieser Ansatz betont die Wichtigkeit ethischer Prinzipien wie Privatsphäre, Transparenz und Gerechtigkeit bei der Gestaltung von Technologie. Das Wiener Manifest zum digitalen Humanismus appelliert die Werte von Freiheit, Selbstbestimmung und Menschenwürde im digitalen Zeitalter zu wahren. Es ruft dazu auf, die menschliche Dimension in den Mittelpunkt technologischer Entwicklungen zu stellen.
Das Wiener Manifest zum digitalen Humanismus ist eine Stellungnahme, die von über 1000 Führungskräften weltweit unterzeichnet wurde und die Motivation und Ziele der Initiative für Digitalen Humanismus darlegt. Es ist ein öffentlicher Aufruf zum Nachdenken und Handeln angesichts der aktuellen und zukünftigen technologischen Entwicklung.
Der EU-AI-Act ist ein wegweisendes Gesetzgebungsvorhaben der Europäischen Union, das darauf abzielt, klare Regeln für die Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) festzulegen. Mit dem EU-AI-Act strebt die EU an, einen ausgewogenen Ansatz zwischen Innovation und Schutz der Bürgerrechte zu schaffen. Der Akt zielt darauf ab, ethische Grundsätze wie Transparenz, Rechenschaftspflicht und Datenschutz in den Einsatz von KI-Systemen zu integrieren.
Am 15. Mai 2023 wurde der UNESCO Chair für Digitalen Humanismus an der Fakultät für Informatik der Technischen Universität Wien eingeweiht. Als erste Informatik-Fakultät Österreichs erhält die TU Wien diesen UNESCO Chair, der sich auf ethische, soziale und politische Aspekte digitaler Technologien konzentriert. Geleitet von Peter Knees und Julia Neidhardt strebt der Lehrstuhl danach, wissenschaftliche Grundlagen für sinnvolle Regulierungen zu schaffen und zukünftige IT-Experten mit einem interdisziplinären Mindset auszubilden. Die Einrichtung des Lehrstuhls markiert einen bedeutenden Schritt für Wien als Zentrum der humanistischen Auseinandersetzung mit Technologie.
„Mehr digital“ für „mehr menschlich“
Meine Vision für meine zukünftigen betagten Tage: Ich hätte gerne, dass mich menschliche Hände eincremen und menschliche Augen ins Gesicht schauen. Mein Gewicht darf gerne ein Roboter in Form eines Exoskeletts tragen. Ein Exoskelett ist ein Roboter „zum Anziehen“. Mit künstlicher Intelligenz unterstützt er genau jene Muskeln, die zum Heben von Lasten benötigt werden. So gelingt es, Schweres mühelos zu heben.
Ich wünsche mir Exoskelette im direkten Sinne: Roboter sollen es Menschen einfacher machen, Menschen gut betreuen zu können. Und auch im übertragenen Sinne: Künstliche Intelligenz soll Menschen vieles abnehmen und erleichtern, damit Menschen dann mehr Zeit dafür haben, was wir Menschen besonders gut können: Als Mensch für Menschen da sein.
Epilog zu Copilot
In der Einstellung „GPT-4 Precise“ hat mir Copilot mögliche Prompts vorgeschlagen. So hat er mich gefragt: „Soll ich dir auch Wortwitz erzählen?“ Darauf habe ich mich eingelassen: „Bitte erzähle mir einen Wortwitz zu Meer der Möglichkeiten.“ Prompt kommt die Antwort:
„Im Meer der Möglichkeiten muss man aufpassen, dass man nicht in den Wellen der Zweifel untergeht.“
Nicht lustig – Humor erzuegen kann KI noch nicht – aber gut. Also lobe ich Copilot – mehr Emotion im Prompt bewirkt mehr Energie für die Antwort – und bitte ihn um einen weiteren Wortwitz. Sofort schreibt er:
„Im Meer der Möglichkeiten sollte man den Anker der Entschlossenheit werfen, um nicht von den Strömungen der Unsicherheit abgetrieben zu werden.“
Ich bringe im Prompt wieder mein Staunen und meine Bewunderung zum Ausdruck und bitte ihn, dieses Mal einen positiven Wortwitz ohne Bedrohung zu schreiben. Antwort:
„Im Meer der Möglichkeiten birgt jeder Tropfen die Chance, zur Welle des Erfolgs zu werden.“