Als Physikerin fasziniert mich Bionik: Ich halte die Natur für eine exzellente Inspirationsquelle für technische Lösungen. Bioniker:innen befassen sich mit der Oberflächenstruktur der Lotusblumen, weil diese extrem schmutzabweisend sind. Obwohl sie aus schlammigen Gewässern wachsen, glänzen sie im wahrsten Sinne blütenrein. In der buddhistischen Tradition sind Lotusblumen ein wichtiges Symbol. Sie stehen einerseits für Öffnung und andererseits für Reinheit. Wie gelingt es uns Menschen, auch in unfreundlichem Umfeld vertrauensvoll zu bleiben und Unerfreuliches abperlen zu lassen?
Strategien im Umgang mit Unerfreulichem: Prävention & Schutz
1. Umfeld suchen, in dem ich mit meiner Persönlichkeit geschätzt werde
& meine individuellen Talente sinnvoll nutzen kann
Der Pinguin an Land ist tollpatschig. Im Wasser ist er hingegen in seinem Element und hat von allen Lebewesen die höchste Energieeffizienz beim Schwimmen. Angelius Salsius mahnt: „Mensch werde (wieder) WESENtlich!“
Darum ist auch meine Lieblings-Sickerfrage: „Weißt du noch, wer du warst, bevor dir die Welt erzählt hat, wer du sein sollst?“
2. Mich mit Menschen umgeben, die mich positiv beeinflussen
„Liebe dich selbst und es ist egal wen du heiratest“ ist der Titel eines Bestsellers von Eva-Maria Zurhorst. Vom 2. Teil der Aussage distanziere ich mich entschieden. Meine Empfehlung: „Liebe dich selbst
und sei daher wählerisch, mit wem du dich umgibst.“
3. Positives ausstrahlen: Chance erhöhen auf positive Resonanz
Wenn wir lächelnd auf – psychisch gesunde – Menschen zugehen, ernten wir meist wieder ein Lächeln. Außerdem erwischt es uns nicht so leicht am falschen Fuß, wenn wir selbst eine gute Standfestigkeit haben. Und außerdem: „Lächeln ist die freundlichste Art die Zähne zu zeigen.“
Der Nährboden unseres im gleichnamigen Konzepts „leistungsstark & lebensfroh“ besteht darin, gut drauf zu sein, wenn man es braucht.
4. Erwartungen auszusprechen
Samy Molcho emeritierter Professor für körperliches Gestalten am Max Reinhardt Institut meint augenzwinkernd: „End-Täuschungen sind häufig nicht erfüllte Vereinbarungen,
die ich in seinem Namen mit mir getroffen habe.“
Wir schaffen es, dass wir nicht aussprechen, was wir uns erwarten und dann enttäuscht zu sein, wenn es die anderen nicht hören. So ist jemand böse, dass die Mail-Empfänger:innen keine Rückmeldung geben. „Ich erwarte mir eine Rückantwort noch heute Nachmittag.“ war jedoch eine Vereinbarung, die ich mit ihnen in ihrem Namen getroffen habe. Im Mail war diese Erwartung nicht zu sehen.
5. Konstruktiv kritisieren, wenn es mir zusteht
Weit verbreitet ist die Falle der „Fried-Höf-lichkeit“: Des lieben Friedens willens bleibt man höflich und zieht sich schweigend zurück. Doch das erzeugt Minenfelder. Die beabsichtigte Konfliktvermeidung vermeidet nämlich nicht Konflikte sondern Gespräche, um zu regeln, wie mit der Spannung umzugehen ist. Sie ist daher eine Lösungsvermeidung!
Beachten Sie: Unerwünschtes nicht anzusprechen bedeutet es zu dulden und damit zu fördern.
6. Killerargumente entkräften & gekonnt kontern
Das Praktische an Killerargumenten: sie sind so einfach gestrickt! Sie sind häufig Machtspiele über „schlechtes Gewissen“ indem sie auf unsere Archillesferse abzielen. Wenn man die einfachen Muster rasch zu erkennen lernt, entzieht man ihnen die Wirkung. Sie werden nämlich genutzt, um uns zu irritieren und von der Sachebene wegzulocken. Darum freuen sich Verhandlungsprofis, wenn zu Killerargumenten gegriffen wird. Ist es doch ein Zeichen dafür, dass die Sachargumente verschossen sind.
Immer wieder gestalte ich daher Trainings & Vorträge „Killerphrasen vorbeugen & gekonnt kontern“. Im konstruktiven Missverständnis kann man Segelbooten gleich „Gegen den Wind aufkreuzen“. Ein hochrangige Persönlichkeit hat einmal herablassend zu mir gesagt: „Verstehen Sie überhaupt wovon ich spreche?“ Meine Antwort: „Herr Professor, es interessiert mich, wovon Sie sprechen.“
7. Beziehung auslaufen lassen/beenden
Psychisch gesunde Menschen verfügen über Spiegelneuronen, die Empathie ermöglichen indem wir das Verhalten von anderen erkennen und spiegeln wollen. So kommt es, dass Eltern automatisch selbst den Mund weit öffnen während sie ihr Baby füttern. Wenn wir uns mit übellaunigen Menschen umgeben, so strahlt das über die Spiegelneuronen auf uns ab.
Etablieren Sie daher die „Raunzfreie Zone“.
Im sehr empfehlenswerten Bestseller „Der Buddha, Geoff und ich“ von Edward Canfor-Dumas über beglückende Lebensführung unterscheidet der aus einer Installateursfamilie stammende Protagonist Geoff zwischen Heizkörpern und Abflüsse: Es gibt Menschen, die uns „wärmen“ und solche die uns „runterziehen“. Beziehungen, die ihnen über längere Zeit mehr Energie rauben als sie ihnen bringen, sollten sie auslaufen lassen.
8. Mich arrangieren – weniger persönlich nehmen
Der Aphoristiker Ernst Ferstl mahnt: „Wenn wir uns alles zu Herzen nehmen,
verschütten wir vieles, was uns wirklich am Herzen liegt.“
Darum kann es sehr effektiv sein, Unerfreuliches einfach vorbeischwimmen zu lassen.
Darum ist auch einer meiner wichtigsten Aspekte beim Klugen Umgang mit Ärgernissen: „Nicht jede*r und nicht alles ist die kostbare Energie meines Ärgers wert.“
Sie könnten sich auch diese arabische Weisheit als Devise einprägen: „Die Hunde bellen. Die Karawane zieht weiter.“
Empathische Distanz zu Unerfreulichem
Manchmal zeigt das Display des Telefons Namen an, bei denen es Überwindung kostet, abzuheben. Dann ist es hilfreich, beide Beine auf den Boden zu stellen, damit uns nichts am falschen Fuß erwischen kann, eine selbstbewusste Körperhaltung einzunehmen und tief durchzuatmen.
Viele von uns kennen Menschen, bei denen es schwer fällt, sie zu mögen und ihnen wertschätzend zu begegnen. Für solche Begegnungen bietet die folgende Aussage von Paul Watzlawik eine Hilfestellung: “Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul.”
Tatsächlich ist jede Aussage, die wir hören, auch von den Werten, Einstellungen, Erfahrungen und der momentanen Verfassung unserer GesprächspartnerInnen geprägt.
„Was mag in diesem Menschen wohl vorgehen?“
ist nicht nur ein rettender Gedanke, der sogar empathisches Verständnis fördert. In leicht abgewandelter Form können Sie es auch aussprechen. Auf so manchen emotionalen Tiefflieger passt die Antwort: “Was wollen Sie mir damit sagen?” oder auch “Was erwarten Sie sich von mir?” oder “Was kann ich für Sie tun?” Letzte Sicherheitsnetze können die Gedanken sein: „Auch dieser Mensch wurde als wunderbarer Säugling geboren.“
Super ist es, wenn ich zu mir sagen kann: „Wie froh bin ich, in meiner Haut zu atmen und nicht in seiner/ihrer!“
Mit gesundem Selbstvertrauen gelingt es, mir selbst treu zu bleiben. Wenn uns etwas kränkt, verletzt, ärgert oder trifft, dann heißt das immer, das etwas in uns in Ressonanz tritt. Killerargumente zielen auf Auslöser für schlechtes Gewissen oder auf unsere Werte. Das Vis-à-vis wird da zu unserem/unserer Sparing-PartnerIn: in diesen Situation können wir erkennen, wo wir mit uns selbst nicht im Reinen sind und deshalb nicht souverän darüber sehen können.
Schutzmantel Selbst-Vertrauen
Als Taucherin nehme ich mir Anleihe beim Papageienfisch: Um sich gegen ihre fast blinden Feinde, die mit dem Geruchssinn jagenden Muränen zu schützen, spinnen sie aus Mundschleim eine fast durchsichtige jedoch geruchsundurchlässige Blase, in der sie schlafen.
Wie könnte Ihre Schutzhaut aussehen, die sie vor Verletzungen schützt und gleichzeitig nicht starr wie eine Rüstung ihre Lebendigkeit einschränkt?
Wieder kann ein Zitat von Ernst Ferstl hilfreich sein: „Unter dem Schutzmantel des Selbstvertrauens wird es nebensächlich, was und wie andere über uns denken und reden.“
Und wir können auch wieder im Sinne der Bionik bei der Natur Anleihe nehmen. In der Biologie spielen semipermeable Membranen eine große Rolle: sie sind halbdurchlässig und lassen Nahrhaftes durch und schützen gleichzeitig vor Giftigem. Pippi Langstrumpf erfindet mit Annika und Tom lustige Worte, die beim Sprechen kitzeln. Ich persönlich finde den Klang von „semipermeable Membran“ höchst sinnlich. Erinnert mich an guten Apfelstrudel. Darum hat sich dieses Wort mir eingeprägt.
Wenn in der Hausverwaltung einE aufgebrachte Kund:in anruft und in seinem Ärger von sich gibt: „Sie dumme Gans, hören Sie mir überhaupt zu.“ so könnte im Sinne der Halbdurchlässigkeit die Antwort ausfallen: „Ich höre ihnen zu. Worum geht es?“ Das Ärgernis wird durch die semipermeable Membran herausgefiltert. Natürlich wäre eine andere Möglilchkeit: „Stopp, Herr/Frau Sowieso!“
Übrigens von Prof. Samy Molcho habe ich mir auch mitgenommen: „Die einzige Person, die meinen Selbstwert verletzen kann, bin ich selbst. Sonst wäre der Selbstwert keine SELBST-Wert sondern ein Fremdwert.“
Wir entscheiden, was wir durch unsere Haut lassen. Mit dem Lotus-Effekt bleibt sie geschmeidig schön.
Mehr zu diesem Thema finden Sie in den Blogs:
Pimp my Brain
Beherzt mein Leben gestalten – Unerfreuliches weniger zu Herzen nehmen
Die bunte Seite des Zorns – Ärgernissen umsichtig begegnen