Spezialisiert auf die Verbindungsstellen zwischen den Hard Facts & den Soft Skills fungiere ich seit 2006 als Fachbeirätin & Keynote Speakerin für das Service Desk Forum in Main.
Jetzt bin ich das auch für die Service Desk & Service Management World in Köln – veranstaltet vom Euroforum, das zur Handelsblatt-Gruppe gehört.
Auf der nächsten Konferenz halte ich am 28.6.2022 um 14.00 Uhr die
Hier können Sie meine wesentlichen Tipps – die natürlich nicht nur für Führungskräfte & Mitarbeiter:innen in Servicebereichen gelten – schon nachlesen.
Gesundes Lächens versus krankmachendem Lächelstress
Ein chinesisches Sprichwort besagt:
„Wer nicht lächeln kann, sollte keinen Laden eröffnen.“
Für den Service Desk & die Service Management World disqualifiziert dieser Kompetenzmangel erst recht. Für die wahrgenommene Servicequalität ist Freundlichkeit ein wesentlicher Faktor. Und auch für Führungsfunktionen ist ein Mangel an guter Laune kontraproduktiv: Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2017 belegt, welch betriebswirtschaftlichen und damit auch volkswirtschaftlichen Schaden es verursacht, dass so viele Chefs schlechte Laune haben. Auch mit Hausverstand erkennt man leicht, dass Übellaunigkeit Motivation und damit Leistungsstärke beeinträchtigt.
Umgekehrt wurde 2018 eine Studie über die krankmachende Wirkung von Freundlichkeitsdruck und Lächelstress veröffentlicht. Es erzeugt enormen Druck, wenn man innerlich unter Druck und Spannung oder Frust und Angst steht und äußerlich gute Miene zu bösem Spiel machen soll.
Diese Falle steht in Zeiten von zunehmenden Self Service-Portalen und Chat Pods besonders weit offen: Bei den Mitarbeitenden des Service Desk landen die Kund:innen erst dann, wenn ihnen diese vorgeschalteten Lösungsangebote bei ihren Problemen nicht geholfen haben. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese bereits aus diesen Vorerfahrungen verärgert endlich die Mitarbeiter:innen erreichen. Diese sind im Management der Emotionen – denen der Kund:innen und der eigenen – intensiv gefordert. Dass nach wie vor sehr viel remote gearbeitet wird, erhöht die Anlassfälle, in denen Service gefordert wird. D.h. zusätzlich wächst auch noch die Arbeitslast.
Wie kann es gelingen, sich aus diesen Stressfallen zu befreien
und trotzdem gut drauf zu bleiben?
Selbstfürsorglichkeit als Nährboden für gesunde Leistungsstärke & Service Qualität
Beim Fliegen werden wir immer wieder daran erinnert, dass wir zunächst uns selbst mit Sauerstoff versorgen sollen bevor wir anderen helfen. Dies sollten wir auch im Business beherzigen. Gerne nehmen Manger:innen den Spitzensport als Vorbild für Top-Leistungen im Unternehmen. Tatsächlich sind die Leistungen im Service Desk einem sportlichen Mehrkampf durchaus ebenbürtig. Was bei diesen Vergleichen meist übersehen wird ist, dass im Sport Trainingspausen integraler Bestandteil sind. Weit verbreitet sind noch die traditionellen Werte, hart und eisern, lang und pausenlos arbeiten zu müssen. Für meinen Vater war es noch ein Zeichen der Schwäche, wenn man eine Pause benötigt hat, oder er hat es als Faulsein abgewertet. Tatsächlich benötigen wir regenerative Stresskompetenz, um unsere Akkus wieder aufzuladen.
Der Sympathikus unseres autonomen Nervensystems macht uns leistungsstark. Wenn wir uns überanstrengen, bricht er weg. Wir erschöpfen. Und wenn wir uns über längere Zeit im Dauerstress befinden, steigt das Burnout Risiko. Um regenerieren zu können, verfügen wir über den Parasympathikus mit dem „Gesundheitsnerv“ Vagus. Regeneration ist Entspannung und Erholung: Einerseits lässt die Anspannung des Sympathikus nach und andererseits sorgt der Parasympathikus für Erholung.
Hand aufs Herz:
Wie gut kennen und wie konsequent nutzen Sie Ihre individuellen Quellen des Auftankens?
Das kann Sport und Bewegung in seinen unterschiedlichen Formen sein. Andere regenerieren durch Schlaf, Ruhe, Nichtstun, Meditation oder sanfte Massagen. Manchen tut Wärme in Form von warmem Wasser, Dampfbad, Sauna, Solarium oder kuscheligen Decken gut. Umgekehrt gibt es Menschen, die die kühle Brise und das kalte Wasser brauchen, um herunterzukommen. Viele suchen zum Ausgleich manuelle Tätigkeiten von Heimwerken über Kochen bis zu Gartenarbeit. Wieder anderen tun intellektuelle und kreative Aktivitäten gut: von Musik über Theaterspielen und Malen bis zum Lesen und Studieren. Viele regenerieren in netter Gesellschaft mit der Familie oder Freud:innen, in Vereinen oder ihrer Dorfgemeinschaft. Besonders wirkungsvoll als Quellen des Auftankens sind auch Tiere und die Natur. Seien Sie achtsam, was Ihnen JETZT guttut. Das kann nämlich je nach Verfassung sehr unterschiedlich sind.
In Österreich war einmal der Slogan eine Männerpflegeserie: „Ihr Auto pflegen Sie ja auch.“ Wir sollten nicht nur in der Formel I sondern auch im zunehmend schneller werdenden Business-Alltag den Boxenstopp zum Auftanken etablieren.
Work-Life-Balance? Life-in-Balance!
Der Begriff „Work-Life-Balance” enthält einen wesentlichen Denkfehler, denn er vermittelt den Eindruck, dass Leben nur in der Freizeit und nicht auch bei unserer beruflichen Tätigkeit stattfindet. Tatsächlich hat die berufliche Lebenszeit einen relativ großen Anteil an unserer Wachzeit. Nicht nur die jüngeren Generationen legen außerdem Wert darauf, dass auch das berufliche Leben für sie sinnvoll und lebenswert ist. Lessing hat noch gemeint:
„Vergnügen ist so wichtig wie die Arbeit.“
Ich wünsche Menschen Vergnügen in der Arbeit und in der Freizeit.
Manche sprechen von „Work-Privat-Balance“ doch auch das entspricht nicht der Wirklichkeit: Für unseren Körper – beginnend bei unserem Hirn – spielt es keine Rolle, ob wir beruflich bezahlt oder in der Freizeit unbezahlt arbeiten.
Ich bevorzuge daher den Begriff Life-in-Balance: Eine gesunde Balance nicht nur zwischen den sondern auch innerhalb der unterschiedlichen Lebensbereiche. Wir brauchen nicht nur den engagierten Einsatz, sondern auch genüssliches Auftanken, neben dem entschlossenen Zupacken auch das vertrauensvolle Zulassen, einerseits die persönliche Identifikation und andererseits die empathische Distanz.
Freudvoll TUN statt MÜSSEN
Für die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ wurde ich für ein Interview zum Thema Work-Life-Balance angefragt. Nach meinen Ausführungen wurde der Artikel dann auch mit „Life-in-Balance“ betitelt. Die Journalistin hat mich gegen Ende des Interviews gefragt: „Ich kann Ihre Ausführungen bzgl. der Bedeutung der regenerativen Stresskompetenz gut verstehen. Aber wie kann diese für eine alleinerziehende Mutter aussehen, die aus finanziellen Gründen 40 Stunden arbeiten muss?“ Wenn die Frau am Abend den inneren Dialog mit sich führt: „Oh, ich hätte noch so viel zu arbeiten. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, die Kinder ins Bett zu bringen, ihnen ein nettes Buch vorzulesen und mit ihnen zu kuscheln.“, so ist dies für sie eine wirkungsvolle Form des Regenerierens. Wenn sie hingegen das gleiche in der Haltung „Jetzt muss ich auch noch für das Einschlafen der Kinder sorgen.“ macht, so wirken diese Aktivitäten als zusätzliche Arbeit.
Wie in einem Fass steigt der Stresspegel, wenn wir es als verpflichtendes Müssen bewerten, oder sinkt er, wenn wir es als lustvolles Tun betrachten. Das gleiche gilt natürlich für Sporttraining, Gartenarbeit, Kochen, Fensterputzen, Autowaschen, Heimwerken UND berufliche bezahlte Arbeit.
Wenn es wirklich sehr unangenehme Tätigkeiten sind, die Überwindung erfordern, so ist es sinnvoll „Ich muss“ durch „Ich werde“ oder „Ich mache“ zu ersetzen. Häufig reise ich bereits am Sonntagabend zu Vorträgen und Trainings am Montag an. Das bereitet mir wenig Freude. Mit „Ich reise am Sonntag an, um am Montag in das Event zu starten, auf das ich mich freue.“ bleibe ich in der Selbstwirksamkeit. Es ist ja wirklich meine Entscheidung, bereits am Sonntagabend anzureisen und nicht frühzeitig am Montag. „Jetzt kann ich den Sonntag nicht gemütlich ausklingen lassen, weil ich noch losfahren muss.“ fühlt sich hingegen als Kontrollverlust an. Das löst in uns Stress aus.
Auf die Stressoren können wir häufig wenig Einfluss nehmen. Viktor Frankl ermutigt den Raum zwischen Reiz und unserer Reaktion zu nutzen. Wir können zwischen Stressverstärkern wie „müssen“ oder Stressstoßdämpfern wie z.B. „Ich weiß wofür ich es mache.“ wählen. Wenn ich unterwegs Hörbücher nach meinem Geschmack höre, empfinde ich die Autofahrt auch freudvoller und damit weniger lange.
Gesunde Balance zwischen den Lebensbereichen
Gerade in Zeiten von Home Office vermischen sich die unterschiedlichen Lebensbereiche immer mehr. Berufliche und private Arbeitszeit lassen sich kaum mehr trennen. Ich empfehle, bewusst zwischen den unterschiedlichen Rollen, die wir leben, umzuschalten.
In den Tag könnten Sie mit dem Gedanken starten:
„Worauf freue ich mich in den unterschiedlichen Lebensbereichen?“
Worauf freue ich mich als ich? Worauf als Partner:in? Als Elternteil? Beruflich? Ehrenamtlich? Als Freund:in? Wenn Ihnen nichts einfällt, könnten Sie sich etwas Schönes einplanen. Bewusste freudige Erinnerungen benötigen kaum Zeit und bringen Lichtblicke in den Alltag. Wenn es Ihnen über einen längeren Zeitraum schwerfällt, Positives in Ihrem Leben zu finden, könnte es sein, dass es mutige Entscheidungen braucht für Veränderungen.
Etablieren Sie auch ein Ritual, um mit der Arbeit zu beginnen. Ich blicke z.B. beim Ankommen an meinem Arbeitstisch bewusst auf den großen Baum im Hof. Dann begrüßt mich beim Aufklappen des Laptops mein Lieblingstauchfoto von meinem Mann und mir. Das löst bei mir Glücksgefühle aus.
Vermutlich arbeiten auch Sie mit einer ToDo-Liste, auf der steht, was zu erledigen ist. Ich lade Sie ein, dass Sie aus der zu-erledigen-Liste bewusst eine schon-erledigt-Liste machen, indem Sie bewusst würdigen, was Sie schon geschafft haben. Das können Sie z.B. mit einem tiefen Atemzug besiegeln. Dieser aktiviert Ihr parasympathisches Entspannungssystem. Durch diese kurzen Atempausen vermeiden Sie Dauerstress. Schritt für Schritt schaffen Sie so Ihr Arbeitspensum.
Besonders wichtig ist das bewusste Umschalten am Ende des Arbeitstages in die private Lebenszeit. Wenn man nicht zu Hause arbeitet, kann man dafür die Heimfahrt nutzen. Im Home Office fällt diese automatische Möglichkeit weg. Da gilt es, bewusst daran zu denken. Ich lege Ihnen dafür das Erfolgs-Tagebuch ans Herz:
- „Was habe ich heute gut gemacht?“
- „Welche großen oder kleinen Erfolge habe ich erzielt?“
- „Was habe ich weitergebracht?“
- „Was sind die Früchte meiner Arbeit?“
- „Worüber habe ich mich in meiner beruflichen Lebenszeit gefreut?“
Anselm Grün unterscheidet zwischen rechtschaffen müde und erschöpft. Wenn wir etwas Rechtes geschaffen haben, dann folgt darauf eine satt-glückliche Müdigkeit, die uns auch gut schlafen lässt. Gesunde Regeneration stellt sich ein. Wenn wir nicht so recht wissen, wovon wir müde sind, fühlen wir uns häufig erschöpft. Tischler:innen können stolz auf ihre Werke blicken. Die Ergebnisse geistiger Tätigkeiten sind nicht so handfest. Umso wichtiger ist es, dass wir bewusst unser Augenmerk darauflegen.
Wenn man an sich selbst die Latte der Anforderungen so hochlegt, dass man sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht erfüllen kann, so ist dies ein ziemlich sicherer Weg in das Burnout. Darum gibt es im sozialen Bereich so viele Menschen, die ausbrennen: Mit Idealismus haben sie sich für ihren Beruf entschieden und erkennen dann, dass ihre Vorstellungen mit den realen Mitteln nicht zu erfüllen sind. Ständige Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitsleistung ist die zermürbende Folge.
„Ich habe das mir unter den Rahmenbedingungen Bestmögliche gegeben.“
ist ein Gedanke, der aus dieser Falle führt.
Glück und Dankbarkeit kultivieren
Im Stress können wir keine Lust empfinden. Stress aktiviert nämlich ein evolutionäres Notprogramm zum Überleben in der Steppe. Jede Energieverschwendung wird dabei vermieden. Darum hilft bei vielen Schokolade gegen Stress. Wenn wir willentlich unsere Aufmerksamkeit auf etwas lenken, das uns Freude bereitet, muss das Hirn von Stress auf Lust umschalten. Ich lade Sie daher ein, etablieren Sie in ihrem Umfeld möglichst viele „Glücksanker“, die in Ihrem Hirn Glücksempfinden auslösen. Ich trage z.B. immer meine Tauchuhr. Sie erinnert mich an mein Glücksgefühl, wenn ich unter Wasser schwerelos schwebe und die bunten Korallenriffe genieße. Mittlerweile ist es mir „in Fleisch und Blut“ übergegangen, dass ich meine Uhr umfasse, wenn ich in die Nähe der Stressfalle komme. Auf vielen meiner Folien sind maritime Fotos. So sorge ich für viele Momente des Glücks während meiner Arbeit. Werden Sie erfinderisch, um auch in Ihren beruflichen Alltag Ihre persönlichen Freuden zu bringen. Glück macht nicht nur glücklich, sondern auch gesund und leistungsstark – wie zahlreiche Studien der Positiven Psychologie belegen.
In einer anderen medizinischen Studie wurde die gesundheitsfördernde Wirkung von Dankbarkeit untersucht. Menschen haben vier Wochen lang am Abend bewusst reflektiert, wofür sie dankbar sind. Z.B. dass wir in einem wohlhabenden Land leben dürfen, dass wir täglich mit Essen versorgt sind, dass ich zwei gesunde Kinder habe und einen Beruf, der mir Spaß macht, dass mich mein Mann tatkräftig unterstützt etc. Nach 4 Wochen hatten sie hoch signifikant bessere Blutwerte als vor dem Start des Experiments und als die Vergleichsgruppe, die dies nicht praktiziert hat.
Ich lade Sie daher ein, dass Sie den Abend mit dem Gedanken beenden, wofür Sie dankbar sind. Achtung: Unsere Belohnungszentren im Hirn springen spontan nur dann an, wenn etwas überraschend gut bzw. besser als erwartet ist. Um dem entgegenzuwirken, dass Gutes als Selbstverständlichkeit nicht mehr geschätzt wird, empfehle ich Ihnen einen Perspektivenwechsel: Was würden Sie alles vermissen, wenn Sie es nicht mehr hätten? Bei vielem erkennen wir den Wert erst dann, wenn wir es nicht mehr haben. Epikur hat in seiner Philosophie der Lebenszufriedenheit den Satz geprägt: „Wer mit dem, was er/sie hat, nicht zufrieden ist, ist mit mehr auch nicht zufrieden.“ Euphemistische Tretmühle nennen die Psycholog:innen das Phänomen, dass wir uns kurz über Neues freuen und dann schon wieder mehr wollen. Dankbarkeit erschließt einen Ausweg aus diesem frustrierenden Hamsterrad.
Bei oben geschildertem Experiment gab es neben denen, die die Dankbarkeit praktizierten, und denen, die dies nicht taten, noch eine dritte Gruppe. Deren Aufgabe war es, jemanden Freude zu bereiten. Im Sinn der Pfadfinder:innen-Tradition: „Jeden Tag eine gute Tat.“ Hier war die im Blut gemessene gesundheitsfördernde Wirkung noch ausgeprägter. Im SErvice Desk helfen Sie immer wieder direkt oder indirekt Menschen. „Wieder jemanden geholfen!“ „Wieder ein Problem gelöst.“ sowie hoffentlich auch „Wieder ein erfreutes Gesicht oder freudige Stimme eines erleichterten Menschen wahrgenommen“ und „Wieder eine DANKE gehört oder gelesen“: wenn Sie dieses bewusst wahrnehmen, fördern Sie damit Ihre Lebensfreude und Ihre Gesundheit.
Dieser Artikel ist auch im Handelsblatt Live veröffentlicht worden.