Foto generiert mit ChatGPT – selbstbewusste Siegerpose
Nur wer sich seiner/ihrer Stärken bewusst ist, kann diese auch selbst-bewusst nutzen. Zunächst verblüffend, aber dann logisch: Nur „known known is known“. Wenn ich es zwar weiß – aber nicht weiß, dass ich es weiß – kann ich dieses Wissen auch nicht gezielt nutzen. Ähnlich ist es auch mit Stärken: Mit den Worten von Moshé Feldenkrais:
„Nur wenn ich weiß, was ich tue,
kann ich tun, was ich will.“
Stärke ist die beständige hohe Leistung in einer Tätigkeit. Sie ist abrufbar & wiederholbar. Der Mensch geht ganz darin auf und sie macht glücklich. Selbstvertrauen ist auch die wirkmächtigste Säule der Resilienz.
Viele Menschen – insbesondere Frauen – leiden jedoch unter Selbstzweifeln. Das schwächt den Wirkungsgrad der Stärken. Das ist schade für die Betroffenen. Und es schadet dem Unternehmen. Darum ist es im Interesse aller, Menschen zu unterstützen, Selbstzweifel zu überwinden und ein gesundes Selbstbewusstsein zu stärken.
Zweifel sind Verräter*innen
Ich habe ChatGPT gepromptet ein Wortspiel mit meinem Meer der Möglichkeiten zu generieren. Seine Antwort:
„Im Meer der Möglichkeiten muss man aufpassen,
nicht in den Wellen der Selbstzweifel unterzugehen.“
Das Ergebnis hat mich verblüfft. Wäre ich nur ansatzweise abergläubisch, hätte ich mich durchschaut gefühlt. Selbstzweifel ist nämlich ein Lebensthema von mir. Beweis gefällig? Mein erster Chef und tatkräftiger Mentor hat mir z.B. die Rückmeldung gegeben: „Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der schon so viel geleistet hat und trotzdem so einen geringen Selbstwert hat.“ Schließlich hatte ich damals schon mein Doppelstudium der Mathematik & Physik im Alter von nur 22 Jahren mit Notenschnitt 1,0 abgeschlossen. Das hinderte mich nicht daran, einerseits super zu funktionieren und mich dennoch klein & hilflos zu fühlen. Mein damaliger Partner hat mich auch öffentlich gedemütigt. Und ich habe es mir gefallen lassen. Wie kann das sein?
Imposter Syndrom
Heute weiß ich, dass ich wie sehr viele Menschen – insbesondere Frauen – vom Imposter-Syndrom – oder Hochstapler*innen-Syndrom – betroffen bin. Dieses Syndrom beschreibt das psychologische Phänomen, bei dem Menschen trotz objektiver Erfolge und Kompetenzen an sich zweifeln und glauben, ihre Leistungen nicht verdient zu haben, und sich selbst als Betrüger*innen empfinden. Sie führen ihre Erfolge oft äußeren Faktoren wie Glück & Zufall zurück. oder das „Nicht-so-genau-Hingeschaut-Werden“ zurück. Sie leben in der ständigen Angst, als Hochstapler*innen „entlarvt“ zu werden – als jemand, der/die eigentlich gar nichts kann. Gefördert wird dieses Gefühl noch dadurch, dass Betroffene dazu neigen, sich mit anderen zu vergleichen. Dabei schätzen sie ihre eigenen Stärken als kleiner und die anderer als größer ein, als diese tatsächlich sind.
Dieses Gefühl führt zu anhaltenden Selbstzweifeln, Angst vor Versagen und einer Schwierigkeit, Wertschätzung oder Anerkennung anzunehmen. Besonders betroffen sind oft leistungsorientierte, sensible und reflektierte Menschen – also genau die, die dazu gar keinen Anlass hätten. Sie quält das Gefühl „nicht gut genug“ zu sein. Das führt dann auch dazu, dass sie sich stets verbessern wollen, viele Ausbildungen machen und es ihnen wichtig ist, sich Qualifikation extern z.B. in Abschlüssen und Zertifikaten bestätigen zu lassen. Das macht diese Menschen auch sehr erfolgreich. Allerdings um den Preis eines besonders hohen inneren Drucks.
Es ist keine psychische Störung, sondern eine Wahrnehmungsverzerrung, die die Lebensqualität beeinträchtigen kann. Das Imposter-Syndrom erhöht jedoch das Risiko für psychische Erkrankungen – wie z.B. Burnout oder Depression.
Zweifel überwinden & Selbstbewusstsein stärken
Bis heute bin ich vom Imposter-Syndrom nicht geheilt. ABER ich habe mir wirkungsvolle Strategien zugelegt, wie ich es in gesunder Weise als Antrieb nutzen kann ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Behalten möchte ich mir meine Leistungsstärke, meine Weiterbildungsfreude und meine Lust an der Weiterentwicklung. Und darin besteht ein wesentlicher Unterschied: Früher machte ich mir selbst Druck, mich verbessern zu MÜSSEN. Heute MÖCHTE ich Tolles schaffen. Diese entscheidende Unterscheidung ist auch der wesentliche Inhalt meiner Bücher „leistungsstark & lebensfroh“ und „Aufblühen statt Ausglühen – raus aus dem Stress & rein in den Flow“.
Hier ein 7-Punkte-Programm für gesundes Selbstbewusstsein & Selbstvertrauen.
1. Schamfalle meistern
Eng mit Selbstzweifeln verwandt sind schlechtes Gewissen & die Scham.
„Ich habe das mir Bestmögliche gegeben.“
„Vieles kann ich schon & anderes möchte ich noch weiter verbessern.“
sind zwei Gedanken, die schlechtes Gewissen vermeiden & Selbstsicherheit vermitteln. Zu den eigenen Fehlern & Unzulänglichkeiten zu stehen, ist ein wesentlicher Aspekt der Selbstliebe.
2. Glaubenssätze überwinden & Erfolge wahrnehmen
Im Alter von 17 Jahren war ich in der Mathematik-Bundes-Olympiade Zweite. Der Einzige, der darin einen Erfolg erkannt hat, war mein Mathematik-Professor. Meine Eltern, die mich ansonsten sehr gefördert haben, waren von Bescheidenheit durchdrungen. Sie haben mir den Glaubenssatz „Eigenlob stinkt.“ mitgegeben. Und so sind sie nach kaum geäußerter Freude über meinen Erfolg zur Tagesordnung übergegangen. Sie haben mir immer wieder gebetsmühlenartig ins Bewusstsein gerufen,
dass ich nicht singen & nicht turnen kann,
von daher nicht Volksschullehrerin, sondern nur Hauptschullehrerin werden könne,
deshalb in die Hauptschule gegangen bin,
jetzt in „kein richtiges“ Gymnasium
und von daher wird mir mein Mathematik- und Physik-Studium sehr schwerfallen.
Letzteres hat sich als irrige Annahme herausgestellt. Zunächst habe ich jedes Mal, wenn ein*e Professor*in gesagt hat „Was Sie bereits vom Gymnasium kennen & können“ gesagt hat, gedacht, ich bin die Einzige, die nicht kann – eben weil ich in kein „richtiges Gymnasium“ gegangen bin. In den ersten beiden Wochen habe ich erkannt, dass es die anderen auch nicht wissen und ich viel schneller lerne & begreife als die allermeisten. In Mathematik & Physik bin ich exzellent. Daran hatte nicht einmal ich Zweifel. Doch mein damaliger Partner hat die mich kleinmachende Rolle übernommen. Das Credo von ihm & seinen Eltern: „Musterschüler versagen im Leben.“
Heute empfehle ich, eigene Leistungen wahrzunehmen & anzuerkennen. Sehr zielführend ist dabei der ehemalige Werbespruch einer österreichischen Bank:
„Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen.“
Um der Falle zu entkommen, das Geleistete als nichts Besonderes und nichts Erwähnenswertes abzuwerten, hilft der Perspektivenwechsel:
„Wie würde ich es sehen und bewerten, wenn nicht ich, sondern mein*e Freund*in, das geschafft hätte?“
3. Anderen weniger Macht über uns geben
Unsere Selbstzweifel & unser schlechtes Gewissen strahlen wir leider auch aus, was dazu führt, dass es andere für kontraproduktive Machtspiele nutzen. Denn was den anderen Macht über uns gibt, sind unsere eigenen Zweifel. Gefördert wird dieses Gefühl anderen ausgeliefert zu sein, noch dadurch, dass Menschen mit Imposter-Syndrom andere Menschen überschätzen. Weil sie sich selbst so viel kleiner sehen als sie sind, erscheinen ihnen andere unrealistisch groß.
Der Gegensatz zum Imposter-Syndrom ist der Dunning-Kruger-Effekt. Dunning & Kruger haben den sogenannten IG-Nobel-Prize für zunächst lustige und dann tiefgründige wissenschaftliche Arbeiten für ihre Erkenntnis bekommen, dass inkompetente Menschen auch inkompetent sind, ihre Inkompetenz zu erkennen und die Kompetenz anderer zu würdigen.
Bertrand Russell hat leider recht, wenn er sagt:
Es ist ein Jammer,
dass die Dummköpfe so selbstsicher
und die Klugen so voller Zweifel sind.
Verletzter Selbstwert ist eine weit verbreitete mentale Krankheit, die geprägt ist vom Glaubenssatz: „Ich bin nicht gut genug.“ Die Symptome sind höchst unterschiedlich, die einen machen sich klein und halten sich zurück, die anderen sind erfolgreich und glauben Hochstapler*innen zu sein und dann gibt es welche, die sich einen äußeren Mantel von Arroganz & Überlegenheit, Präpotenz & Narzissmus zulegen, was nicht mit gesundem Selbstbewusstsein verwechselt werden sollte.
Beachten Sie bitte, dass der einzige Mensch, der Ihren Selbstwert verletzen kann, Sie selbst sind. Denn ansonsten wäre der Selbstwert kein SELBSTWert, sondern ein FREMDWert.
Entgegen dem irreführenden Buchtitel „Liebe dich selbst. Dann ist es egal, wen du heiratest.“ sollte Ihr Grundsatz sein:
„Liebe dich selbst und sei daher wählerisch, wen du wie nahe an dich heranlässt.“
4. Anerkennung annehmen
Menschen mit Imposter-Syndrom fällt es schwer Anerkennung anzunehmen. Wenn sie von anderen die Rückmeldung bekommen, dass sie etwas toll gemacht haben, neigen sie dazu, die eigene Leistung kleinzureden.
Diese kontraproduktive Schleife kann man z.B. durch die neue Gewohnheit ersetzen:
„Danke. Ich freue mich über Ihre wertschätzenden Worte.“
5. Stärken erkennen
Menschen mit Imposter-Syndrom fühlen sich eher für Misserfolge als für Erfolge verantwortlich. Wenn etwas nicht so gelaufen ist, suchen sie die Ursache eher bei sich selbst. Wenn die Leistung toll ist, schreiben sie das eher anderen und äußeren Umständen zu.
Als Coach brauche ich dann die Beharrlichkeit, immer wieder zu fragen:
„Was ist Ihr Anteil, dass es so gut gelaufen ist?“
Wenn dann z.B. die Antwort kommt „Es ist nicht mein Erfolg. Es ist der Erfolg meines Teams.“, dann gilt es genauer darauf hinzuschauen, was mein Coachee dazu beigetragen hat, dass das Team so leistungsstärk ist. Oder im Privatbereich: „Alleine hätte ich es nicht gekonnt. Freund*innen haben mir geholfen.“ Dann ist der nächste Analyseschritt:
„Was hat es mir zu tun, dass so tolle Menschen mich gerne unterstützen?“
Weil wir bei vielem den Wert erst erkennen, wenn wir es nicht mehr haben, lade ich Sie zu einem Gedankenexperiment ein:
„Stellen Sie sich vor, dass Sie morgen nur mehr jene Stärken & Fähigkeiten haben, für die Sie heute dankbar sind.“
Viele wären da entsetzt, was Sie plötzlich alles nicht mehr können.
6. Serendipity Mindset
Eine häufige Reaktion von Imposter-Betroffenen ist, ihren Erfolg und ihre Leistungen dem Glück zuzuschreiben. Napoleon soll gesagt haben:
„Ich möchte Menschen, die Glück haben.“
Menschen, die Glück haben, schätzen Situationen gut ein, sie erkennen und ergreifen Chancen, sie sind startklar und gut vorbereitet, wenn sich Chancen ergeben und sie sind vorausschauend & umsichtig, damit sie sich nicht in Situationen begeben, in denen sie Pech hätten.
Das beschreibt Chancen-Intelligenz und einen Serendipity-Mindset. Serendipity oder deutsch Serendipität bedeutet unverhofftes Glück, das man findet ohne es gesucht zu haben. Menschen mit Serendipity-Mindset schaffen Situationen, in denen es mehr Möglichkeiten gibt und sie nutzen in kluger Weise sich bietende Chancen.
7. Unverschämt erfolgreich
Schon in den 60-er-Jahren wurde der sogenannte Cinderella-Komplex erforscht: Frauen, die während der Vorlesungen hervorragende Leistungen erbrachten, schnitten bei den Prüfungen schlechter ab, als gleich gute oder schlechtere Kollegen. In der Analyse wird dies darauf zurückgeführt, dass Frauen Angst haben, ihre Stärken zu zeigen. Sie glauben, dass ihre Tüchtigkeit von anderen erkannt wird, so wie im Märchen bei der fleißigen Cinderella. Im wahren Leben besteht jedoch ein beachtliches Risiko, dass andere die erzielten Ergebnisse als ihren Erfolg verkaufen.
Außerdem ist es leider nicht nur ein Gerücht, dass erfolgreiche Frauen es schwerer haben, einen adäquaten Mann zu finden. In Zeiten von Tinder & Co. sprechen die Zahlen für sich, dass bestens gebildete Frauen und schlecht gebildete Männer statistisch signifikant häufiger kein*e Partner*in finden. Für mich ist es keine gute Option, mich kleiner zu machen, um meine Chancen bzgl. Liebe zu erhöhen. Aus frauenpolitischen Gründen bin ich daher schon mehrfach in Talkshows aufgetreten, um als erfolgreiche Frau in einer glücklichen Ehe zu demonstrieren, dass es auch Männer gibt, die die Stärke von Frauen schätzen & fördern. Damit möchte ich Frauen ermutigen, zu ihren Erfolgen zu stehen und sich in ihrer Größe & Stärke zu zeigen.
Für viele ist es mit Scham behaftet, die eigenen Stärken & Leistungen selbstbewusst zu verkaufen. Ich habe mich selbst ausgetrickst, in diese alte Falle zu tappen, indem ich mich bei anderen öffentlich dafür bedanke, dass mein Erfolg ohne ihre Unterstützung nicht möglich gewesen wäre. So kann ich freundlich bleiben UND allen kommunizieren, dass mir etwas gelungen ist. Wenn ich meine Erfolge per E-Mail kommuniziere, schreibe ich den Betreff „Zum Mitfreuen“. Freude teilen passt auch prima zu meinem nach wie vor vorhandenem Imposter-Syndrom.
Auch wenn es Überwindung kostet, die eigenen Leistungen & Erfolge zu verkaufen und entsprechende finanzielle & andere Anerkennung einzufordern, ist dies der zielführende Weg. Denn Simone de Beauvoir hat richtig erkannt, was nicht nur für Frauen gilt:
„Frauen, die nichts fordern,
werden beim Wort genommen
und werden nichts bekommen.“
Wirkungsgrad von Stärken stärken
Die Reifenfirma Pirella hatte den Werbeslogan:
„Power is nothing without control.“
Ich habe nichts von meinen Stärken, wenn ich sie nicht kenne. Mir meiner Stärken bewusst zu sein, ist eine entscheidende Voraussetzung, um die „PS optimal auf die Straße bringen“ zu können. Als Neurowissenschaftlerin appelliere ich, Stärken zu stärken, UND als Physikerin ihren Wirkungsgrad zu steigern. Das Imposter-Syndrom ist ein massiver Wirkungsgradfresser, unter dem nicht nur die Betroffenen leiden, sondern der auch dem Unternehmen massiven Schaden zufügt.
Mitarbeitenden Ihre Stärken bewusst zu machen & sie gemäß ihrer Könnerschaften einzusetzen, steigert gleichermaßen Zufriedenheit & (mentale) Gesundheit der Einzelnen wie auch die High Performance des Unternehmens.
Siehe auch:
„Do more with less: In freudvoller Leichtigkeit mehr bewirken „