Diversity Management ist ein Lebensthema von mir:

Mein Vater war höchst engagierter Sonderschuldirektor in Gloggnitz. Ich habe als kleines Kind schon hautnah miterlebt, dass es sehr unterschiedliche Lebenswirklichkeiten gibt.

Wertschätzendes Miteinander der Generationen war schon bei meinem Einstieg in mein Berufsleben höchst relevant: War ich doch gerade erst 22 Jahre jung und wollte von wesentlich älteren Teilnehmer:innen als Expertin – damals für Statistische Methoden der Qualitätssicherung – ernst genommen werden. Jetzt erlebe ich diese uns alle betreffende Thematik aus der Perspektive der älteren Frau.

Christoph Wirl, Herausgeber vom Magazin TRAiNiNG, hat mit mehreren Expert:innen ein Interview zum Managen der unterschiedlichen Generationen geführt. So auch mit mir. Hier meine Antworten auf die Fragen:

Derzeit sind so viele verschiedene Generationen am Arbeitsmarkt und im Unternehmen wie nie zuvor. Was bedeutet das für das Recruiting? Welche Chancen und Gefahren gibt es?

Unternehmen neigen zur Monokultur. Gleich und gleich gesellt sich eben gerne. Homogenität kann in einem stabilen Umfeld sehr effektiv sein. Doch in einem Umfeld mit hohem Grad an Ungewissheit bzgl. zukünftiger Entwicklungen ist es riskant alles auf ein Pferd zu setzen. In der Geldveranlagung ist es längst Usus, durch Diversifikation das Risiko zu minimieren. Ich sehe daher in der Vielfalt der Generationen eine große Chance. Vorausgesetzt man geht mit den unterschiedlichen Stärken konstruktiv um. Der Volksmund sagt:

„Junge Menschen laufen schneller
& ältere kennen die Abkürzungen.“

Wenn man die Erfahrungsschätze älterer Mitarbeiter mit frischem Wind jüngerer Generationen mischt, kann daraus unglaublich kreatives Potential entstehen. Gegenseitige Wertschätzung ist die Brücke über die Kluft zwischen den Generationen.

Neulich wurde ich in einem Interview gefragt: „Wie formuliere ich eine Anzeige, damit wir für die Millennials attraktiv sind?“ Das ist allerding erst die dritte Frage. Die erste Frage ist: Wer sind wir? Wofür stehen wir? Wir müssen uns greifbar machen, damit die anderen uns begreifen können. Die 2. Frage ist: Welche Menschen wollen wir ansprechen? Wer passt zu uns? Es bringt nichts, wenn ein Unternehmen, das eine traditionelle Unternehmenskultur hat, sich verbiegt, um junge Menschen anzusprechen. Die sind dann total enttäuscht. Zur 3. Frage: Attraktivität und Image beruhen zu einem hohen Maß auf Authentizität. Was charakterisiert Ihr Unternehmen? Was unterscheidet Sie von anderen Unternehmen? Und was können Sie daher unterschiedlichen Menschen bieten? Ja, den jüngeren Generationen ist bewusst, dass sie umworben werden. „Was sind Sie bereit in mich zu investieren?“ ist daher eine häufig gestellte Frage in Bewerbungsgesprächen. Darauf sollte man stimmige Antworten haben.

Was bedeutet das für das HR-Management? Welche Chancen und Gefahren gibt es?

Mit der uns vertrauten „uniformen“ Führung mit Soll-Profilen und standardisierten Vorgehensweisen kommen wir in unserem heterogenen Umfeld voller Umbrüche und Verwerfungen nicht weit. Statt dem dichotomischen Denken in „richtig oder falsch“, „besser oder schlechter“, „Stärken oder Schwächen“ braucht es ein „wertschätzendes anders“ unterschiedlicher Talente. Um diese zu erkennen, empfehle ich diesen 3-Schritt:

  1. Was ist Ihnen schon gelungen?
    Über welche Erfolge haben Sie sich gefreut?
    Wobei hatten Sie das gute Gefühl „Ich habe es geschafft?“
  2. Welche Stärken und Strategien von Ihnen haben sich dabei bewährt?
  3. Wie können Sie diese Stärken in einem neuen Umfeld sinnvoll nutzen? Es gilt: vom Alten lernen, Neues zu machen.

Wir brauchen nicht nur anti-dichotomisches sondern auch anti-kategorales Denken: „Die Generation Y“ gibt es eben so wenig wie „die Teilzeitkräfte“ oder „die Frauen“. Genauer betrachtet sind diese Gruppen in sich wiederum völlig heterogen. Es gilt, den einzigartigen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Menschen wirklich anzusehen steigert ihr und Ihr Ansehen: einerseits steigt Ihr Gegenüber durch Ihre Beachtung in seiner Achtung und andererseits auch Sie, weil Sie Beachtung schenken.

Die Bezeichnung „HR-Management“ greift daher auch viel zu kurz: Ich bevorzuge die Bezeichnung „People and Culture“: es geht darum für die berufliche Lebenszeit und damit die Leistungsstärke und Einsatzbereitschaft ein förderliches Umfeld zu schaffen. Und eine Vertrauenskultur des wertschätzenden, fairen Miteinanders zu etablieren.

Was bedeutet das für die Führungskräfte Welche Chancen und Gefahren gibt es?

Ich bin eine bekennende Gegnerin der Gleichbehandlung, weil ich eine flammende Befürworterin der individuellen Führung mit Transparenz und fairen Chancen bin. Unterschiedliche Menschen brauchen unterschiedliche Führung. In der militärischen Führung, die ja unsere klassische Führungskultur geprägt hat, steckt man Menschen in Uniformen, um große Menschenmengen über weite Strecken zu bewegen. Das hat den großen Nachteil, dass die individuellen Stärken und Talente, Erfahrungsschätzen und Potentiale ungenutzt bleiben. Unsere fordernde Hochleistungskultur kann sich das immer weniger erlauben. Das hat Professor Hengstschläger ausführlich in seinem Bestseller „Die Durchschnittsfalle“ beschrieben.

Führen von heterogenen Teams heißt

  • zu vermitteln zwischen gemeinsamen Zielen und individuellen Bedürfnissen
  • die Stärken der Einzelnen auf die gemeinsamen Erfolge zu fokussieren
  • Spielräume zu eröffnen und Spielregeln zu vereinbaren
  • Dialoge zu führen, um den Perspektivenreichtum zu erschließen
  • gemeinsame Erfolge und die Beiträge der Einzelnen zu würdigen

Wie kann ein sinnvolles Generationenmanagement im Unternehmen aussehen? Bitte um Beispiele.

Sinnvoll ist es, die Benediktinerregel zu beherzigen, dass der Abt bei Entscheidungen junge, unvoreingenommene Mönche befragen und die Erfahrungen der älteren Mönche einfließen lassen soll. Wenn man Teams möglichst heterogen aufstellt, bedeutet das meist längere Diskussionen und Abstimmungsprozesse. Doch man wird mit mehr Kreativität und Innovationskraft belohnt, weil in der Auseinandersetzung unterschiedlicher Sichtweisen neue Perspektiven erschlossen werden. Albert Einstein meint:

„Wenn 2 immer einer Meinung sind,
ist einer überflüssig.“

Auf Tauchschiffen erlebe ich das wertschätzende Miteinander der Generationen: Tauchkolleg:innen, die locker meine Tochter oder mein Sohn sein könnten, helfen mir z.B. beim Tragen des Geräts oder beim Ausstieg nach dem Tauchen. Umgekehrt bitten sie mich, mit mir tauchen zu dürfen, weil ich so viele tropische Fische kenne und daher auch entdecke. Dieses Beispiel verdeutlicht, was ein wesentlicher Erfolgsfaktor für heterogene Team ist: die Bereitschaft voneinander zu lernen und die Kompetenz Unterstützung anzunehmen.

Der Artikel con Chrstiph Wirl – mit auch meinen Interview-Beiträgen – ist unter dem Titel „Den Mix der Generationen nutzen“ im MAGAZiN TRAiNiNG im April 2020 erschienen.

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