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Am Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Physiker*innen den Laplaceschen Dämon demütig zu Grabe getragen. Doch bis in Management-Etagen hat sich das noch nicht herumgesprochen. Dort schwelgt man häufig noch in den Allmachtsfantasien der Zahlengläubigkeit. Dieser vermeintlichen Sicherheit zu vertrauen, kann in unserer disruptiven Welt in den Abgrund führen.
Der Laplacsche Dämon
Dieser Dämon war einst das Sinnbild menschlicher Allmachtsfantasien – die Projektion des Wunsches, alles zu wissen, zu verstehen und zu kontrollieren. Pierre-Simon Laplace stellte sich im 18. Jahrhundert ein übernatürlich intelligentes Wesen vor, das in einem einzigen Moment alle Naturgesetze kennt und die Position und Bewegung sämtlicher Teilchen des Universums erfassen kann. Mit diesem Wissen, so glaubte er, könnte es Vergangenheit und Zukunft vollständig berechnen – die Welt als gigantische, perfekt determinierte Maschine. Kein Platz für Zufall, keine Freiheit, keine Überraschung. Der Laplacesche Dämon steht für die Hybris der Vernunft: die Überzeugung, dass Wissen gleich Macht und Kontrolle bedeutet.
In der Physik gestorben
Doch im Laufe der Wissenschaftsgeschichte zeigte sich, dass diese Vorstellung zu eng, zu mechanistisch, zu menschlich war. Mit der Quantenphysik wurde die Welt unberechenbarer. Auf subatomarer Ebene gelten andere Gesetze: Teilchen verhalten sich nicht deterministisch, sondern probabilistisch. Wir können nicht gleichzeitig ihren exakten Ort und ihre Geschwindigkeit bestimmen – die Heisenbergsche Unschärferelation ist keine technische Grenze, sondern ein Naturprinzip.
Zufall – die unterschätzte Kraft
Zufall ist kein Zeichen für Unwissenheit, sondern Teil der Struktur des Universums. Der Laplacesche Dämon musste erkennen, dass es ihn nicht geben kann. Niemand kann allwissend sein – die Natur selbst schützt ihr Geheimnis.
Im Zuge meines Physik-Studiums habe ich auch ein Privatissimum absolviert. 2 Stunden pro Woche. Ein Semester lang. Thema des Privatissimums, an dem einige Professor*innen, Dozent*innen und ich teilnahmen: „Kann es verborgene Parameter geben?“ Die Fragestellung, die mathematisch bearbeitet wurde: Ist die Heissenbergsche Unschärferelation ein messtechisches Problem – Die Wirklich ist determiniert und wir können sie nicht ganz genau messen. In der Physik spricht man von Einsteins Schleier: Die Welt ist verschleiert und zeigt sich nicht klar. – oder ist die Welt prinzipiell nicht genau determiniert – Die Welt flimmert. -? Das Ergebnis nach zig Stunden Mathematik: Je nachdem welche Annahme man den Regeln der Naturgesetze zu Grunde legt, gilt das Eine oder das Andere.
Für viele mag dies befremdlich oder sogar frustrierend sein. Ich war begeistert von diesem Resultat: Es sind immer die menschlichen Annahmen, die die Wahrnehmung der Wirklichkeit bestimmen. Ja, ich habe als Physikerin ein zu tiefst konstruktiviistisches Weltbild.
Bildnachweis: ChatGPT