Mit meinem Beitrag „Vielleicht wird vieles viel leichter“ habe ich den Medien Award des Speaker Slams 2020 gewonnen. Langer Atem & Humor für mehr souveräne Gelassenheit steht dabei im Fokus meiner Gedankengänge.

Im Finale des Speaker Slams 2017 habe ich „Die bunte Seite des Zorns: Ärgernissen umsichtig begegnen“ als Thema gewählt. Darin geht es um kluge, energieschonende, gesunde Alternativen zu Ärger.

Sehr gerne bin ich der Einladung gefolgt für den Hernstein Blog zur Ausgewogenheit zwischen Gelassenheit & Entschlossenheit zu schreiben.
Und warum die Emotion Ärger so mächtig ist.

Ärger macht überlebensstark

Im Ärgern sind wir tierisch gut. Es macht uns kampfbereit. Für das Überleben unserer Vorfahren in der Steppe war es entscheidend, rasch und entschlossen zu kämpfen. „Fight or Flight“ ist das Grundmuster unseres Stressprogramms. Ärger und Angst sind daher Zwillinge. Wut ermächtigt uns, die Furcht vor Verletzung zu überwinden, um unser Terrain mutig zu verteidigen und es nicht flüchtend aufzugeben.

Mächtiges Erbe der Evolution

Wenn es seit 100 Jahren Leben auf der Erde gäbe, wären wir Homo Sapiens vor 5 Tagen aufgetreten. Vor 7 Minuten hat die industrielle Revolution begonnen. Sie können sich vorstellen, wie wenig Zeit unsere archaische, neurobiologische Grundstruktur hatte, sich an unsere gesellschaftlichen Strukturen anzupassen. Emotionen beruhen auf Affekten unseres Körpers. Wir können sie uns nicht aussuchen. Sehr wohl können wir sie klug steuern.

Wertvoller Ärger

Wenn Sie das nächste Mal Ärger in sich aufsteigen spüren, bedenken sie bitte, dass Ihnen eine Sache und/oder eine Beziehung wichtig ist. Sonst wäre es Ihnen egal. Dazu der Holocaust-Überlebende und Friedens-Nobelpreis-Träger Elie Wiesel:

„Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.
Das Gegenteil von Leben ist nicht Tod, sondern die Gefühlslosigkeit.“

Darin besteht die Logik von Konfliktbeziehungen bis zum Rosenkrieg: Es wäre wirklich viel schöner, wenn er/sie mich noch lieben würde. Doch ich bin realistisch genug einzusehen, dass ich dafür keine Chance habe. Viel besser als vergessen und ignoriert zu werden, ist es jedoch, gehasst zu werden. Und da fällt mir viel ein, wie ich dafür sorgen kann, wie ich seine/ihre Wut schüre. Solange er/sie mich hasst, bin ich sehr präsent und mächtig in seinem/ihrem Leben. Hassbeziehungen sind intensive Beziehungen – wenn auch mit sozialem Vorzeichenfehler.

Relativieren Sie Ärgernisse

In stressigen Situationen sinkt der Serotoninspiegel in unserem Körper. Dadurch erleben wir alle Emotionen intensiver. Evolutionspsychologisch ist das sinnvoll: Wenn wir nicht nur lauwarm missgestimmt, sondern wütend heiß sind, kämpfen wir entschlossener. In einer Studie ließen sich Teilnehmer:innen freiwillig schlagen. Sie wurden aufgefordert, in der Stärke zurückzuschlagen, wie sie den erhaltenen Schlag empfinden. Bei allen – auch den Frauen unter den Probanden – fiel der Rückschlag wesentlich heftiger aus. Es stimmt neurobiologisch:

Ärger macht alles noch viel ärger.

Je nach Ausprägung der cholerischen Neigung verbrauchen wir in 1 Stunde des Ärgerns die gleiche Menge Energie wie in 8 bis 20 Stunden des produktiven Arbeitens. Unser Körper ist bestens zum Kämpfen vorbereitet und da körperliche Gewalt in unserer Gesellschaft keine Option zur Konfliktlösung ist, müssen wir diese Impulse auch noch unterdrücken. Das kostet uns sehr viel Einsatz.

Bedenken Sie daher:

Nicht jede*r und nicht alles ist die kostbare Energie Ihrer Wut wert.

Setzen Sie sich einen Anker, der sie daran erinnert oder lassen Sie sich von anderen dazu auffordern, sich bewusst zu entscheiden:
„Moment einmal, wie wichtig ist mir die Beziehung und/oder die Sache wirklich? Wie viel Ärgerenergie möchte ich daher investieren?“

Guter Impuls- und schlechter Ratgeber

Die wachrüttelnde, aktivierende Energie des Ärgerns kann sehr nützlich sein. Die damit einhergehenden Handlungsimpulse sind jedoch in unserer Gesellschaft meist kontraproduktiv. Dazu Kurt Tucholsky:

„Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich selbst schadet, ohne irgendjemanden zu nützen.“

Tatsächlich leiden die für unser Glücksempfinden zuständigen Hirnareale unter unserem Ärgern. Wut hinterlässt „zerbrochenes Porzellan“ nicht nur in unserem zertrampelten Umfeld sondern auch in unserem eigenen Hirn. Außerdem verengt Stress unseren Blickwinkel. Schließlich haben wir für das Überleben in der Steppe gelernt, dass Kämpfen gezieltes Zuschlagen oder zielstrebiges Flüchten braucht. Das analytische Denken ist ausgeschaltet, weil es zu langsam wäre. Die Kreativitätsnuss im Hirn ist deaktiviert, weil es uns ablenken würde. Genau diese würden wir aber brauchen, um unsere Standpunkte mit klugen Argumenten durchzusetzen und noch mehr, um Kompromiss- oder Konsenslösungen zu finden.

Ärgernissen souverän begegnen

Ärger zu schlucken ist keine gute Idee. Erstens schlägt sie uns auf den Magen und zweitens bleibt das Ärgernis bestehen. Beachten Sie: Konfliktvermeidung bewirkt nicht Konfliktvermeidung, sondern Lösungsvermeidung. Schließlich bleibt ja der Konflikt bestehen. Viele Menschen sind zur „Fried-Höf-lichkeit“ erzogen. Des lieben Friedens willen sagen sie nichts und bleiben höflich. Auf Dauer ist das für Beziehungen tödlich: immer mehr nicht ausdiskutierte Konfliktthemen werden zum lähmenden Tabu.

Gekränkter Rückzug ist die Folge. Das ist nicht ausgelebter, nach innen gerichteter Ärger. Es ist im wahrsten Sinne kränkend – nämlich krankmachend. Es bewirkt chronische Störungen der eigenen Gesundheit und der Beziehungen zu nahestehenden Menschen.

Wenn Ihnen die Beziehung zu den Konfliktpartner:innen nicht wichtig sind – z.B. weil sie ihnen nur selten begegnen – und sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, zur Sache zu schweigen, können Sie sich den Lotus-Effekt zunutze machen: Lotusblumen wachsen aus schlammigen Tümpeln und erstrahlen in reinsten Farben. Die Bionik hat bereits entschlüsselt, was die Oberfläche dieser ganz besonderen Blüten so schmutzabweisend macht. Unerfreuliches abperlen zu lassen, ist eine wichtige soziale Kompetenz.

„Wie dankbar bin ich, in meiner Haut zu atmen.“

kann dafür eine hilfreiche Affirmation sein. Oder in Anlehnung an Franz von Assisis

„Gelobt seist du oh Herr, mit all deinen Kreaturen.“

denke ich mir immer wieder: „Was haben wir da wieder für ein menschliches Prachtexemplar.“ Oder: „Wie vielfältig skurril ist das Panoptikum an menschlichen Verhaltensweisen.“

Upcycling der Ärgerenergie

Besonders toxisch wirkt Ärger in Kombination mit Ohnmachtsgefühl. Zahnlose Tiger werden leicht depressiv. Das ist nicht nur so dahingesagt. Wenn wir weder kämpfen noch fliehen können, bleibt von den ursprünglichen Stressprogrammen nur noch das „Freeze“, nämlich das Totstellen wie das Kaninchen vor der Schlange. Lassen Sie sich daher Ihre Zähnen nicht ziehen. Sorgen Sie für ihren guten Biss, auch wenn man speziell Frauen häufig vorwirft „Haare auf den Zähnen“ zu haben und so in die Schranken der Komfortzone zurückweisen will.

Ans Herz legen möchte ich Ihnen das Gelassenheitsgebet von Christoph Friedrich Oetinger:

„Gott gebe mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.
Gotte gebe mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
Gott gebe mir die Weisheit, ersteres von zweiterem zu unterscheiden.“

Ich empfehle Ihnen, mit dem zweiteren zu beginnen. So sieht es auch die buddhistische Tradition:

„Wenn du ein Problem hast, löse es.
Wenn du es nicht lösen kannst, dann mache kein Problem daraus.“

Den Mut, sich einem Konflikt zu stellen, können Sie wunderbar aus der Ärgerenergie schöpfen. Biologisch betrachtet verursacht der Stachel im Fleisch Schmerzen. Das ist ein wertvolles Alarmsignal des Körpers, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist und Zuwendung für Heilung braucht. Im übertragenen Sinn bringt uns der Ärgerschmerz in die Gänge, um Störungen in unserem Umfeld zu bereinigen.

Die bunten Seiten des Zorns

Um zu erkennen, was wir ändern können und was sich unserem Einfluss entzieht, empfiehlt es sich zum Problem auf Distanz zu gehen. Dass es klug ist, sich von Ärgernissen zu dissoziieren, weiß auch diese Empfehlung aus dem Volksmund:

„Wenn dir etwas Ärgerliches passiert, nicht ärgern, sondern wundern.
Wenn dir etwas Wundervolles passiert, nicht wundern, sondern freuen.“

Zu diesem Zwecke lege ich Ihnen die Ärgerpalme ans Herz:
Bevor Sie die anderen auf die Palme bringen, ziehen Sie sich auf die Palme zurück.

Von dort aus haben Sie einen wunderbaren Überblick und können erkennen, welche Action gerade läuft, wem das Problem wirklich gehört, welche Handlungsmöglichkeiten Sie haben. Notfalls können Sie auch gezielt mit Kokosnüssen werfen.

Aus dieser Perspektive erschließt sich auch die wunderbare gesunde Alternative zu Ärger, die noch dazu kreativ macht, was die Lösungsfindung erleichtert: den tiefgründigen, manchmal auch schwarzen Humor. Gemäß Joachim Ringelnatz:

„Humor ist der Knopf, den wir öffnen können, bevor uns der Kragen platzt.“

Tatsächlich haben Evolutionspsychologen erforscht, dass sich die Fähigkeit des Lachens schon bei unseren Verwandten den Menschenaffen als Stressventil bewährt und durchgesetzt hat.

Halten Sie es daher mit den Ansichten eines Clowns von Heinrich Böll:
Beginnen Sie die Pointen des Lebens zu sammeln.

In meiner Familie gilt der Grundsatz:

„Irgendwann finden wir es lustig, dann können wir doch auch gleich darüber lachen,“

wütende Person, gelassene Person

Hernstein Newsroom

Hier die gekürzte Version im Blog des Hernstein Instituts für Management und Leadership der Wirtschaftskammer Wien.

„Wut macht Mut: Wie Sie Ihren Ärger als Antrieb nutzen“

Ärger braucht kostbare Energie, und das nicht zu wenig. Da will gut überlegt sein, wie viel davon Sie in eine Sache, Situation oder Beziehung tatsächlich investieren wollen. Was es viel mehr bringt: Nutzen Sie Ihre Ärger-Energie, um Konflikten mutig zu begegnen und sie offen anzusprechen. Das ist gesund und zahlt sich wirklich aus.

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