Sehr gerne bin ich der Einladung des Teams vom Hernstein Institut für Leadership und Management gefolgt, einen Blog-Beitrag zu den Herausforderungen unserer Welt der Umbrüche zu schreiben.
Emo­ti­o­nen:

Finden Sie die Balance zwi­schen Vor­sicht & Zuver­sicht

Hier können Sie die ungekürzte Originalfassung lesen:

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Neurowissenschaft für die VUCA-Welt:
Kluge Balance zwischen Vorsicht & Zuversicht

VUCA & BANI

Ganz schön wucki-wucki diese VUCA-Welt: Unsere Welt im Umbruch ist gekennzeichnet von einem hohen Grad an Volatilität. Alles wird immer extremer, schwankt mehr und wird dadurch schwerer vorhersehbar. Der Grad an Ungewissheit steigt. Durch die zunehmende Komplexität/Complexity verlieren wir leicht den Überblick und die Kontrolle. Und die aus der Ambiguität d.h. Mehrdeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten resultieren innere und äußere Spannungsfelder.

Unser Hirn ist evolutionär für das Überleben des Rudels in der Steppe optimiert. Ununterbrochen checkt es für uns das Umfeld und vergleicht es noch vorbewusst mit dem episodischen Gedächtnis: Womit habe ich gute oder schlechte Erfahrungen gemacht und was heißt das für mein unmittelbares Reagieren? Unbekanntes, Ungewissheit und Unklarheit machen diesen Abgleich der Umwelt mit den Erfahrungen unmöglich. Darum sind sie mit einem höheren Stresslevel verbunden als erkannte Gefahren. In Anbetracht unserer brüchigen Welt ist es kein Wunder, dass vermehrt Ängste und Aggressionen in unserer Gesellschaft auftreten. Manche Expert:innen sprechen von der BANI-Welt: Brittle/brüchig, Anxious/angstbesetzt, Non-linear/nicht berechenbar, Incomprehensible/unverständlich.

Emotionen bringen uns in Bewegung

Unsere Emotionen sind körperliche Affekte. Wir können sie uns nicht aussuchen. Wenn wir verstehen, wie unser Hirn tickt, können wir unsere Emotionen und Reaktionen klug steuern. Zwischen dem Wahrnehmen von Stressoren und unserer körperlichen Reaktion – beginnend im Hirn – liegt ein gestaltbares Fenster, in dem wir zwischen Stressverstärkern und Stressstoßdämpfern wählen können. Selbst-Wirksamkeit und Self-Leadership – die Grundvoraussetzungen für Leadership – sind wichtiger denn je.

Unser denkender Vorderkopf, der Präfrontale Cortex, erkennt mehr oder weniger gut, was vernünftig ist. Er will zukünftiges Bereuen vermeiden. Daher bewirkt er Impuls-Kontrolle und Belohnungsaufschub: Auch wenn wir Lust hätten, den frischgebackenen, köstlich duftenden Kuchen sofort zu kosten, können wir uns zurückhalten, um ihn als Nachtisch für die Gäste zu servieren.

Der Orbitofrontale Cortex, das über den Augenhöhlen liegende Areal der Großhirnrinde macht uns zu sozialen Wesen. Hier bewerten wir, was mit unserer Moral und unserem Gewissen vereinbar ist. Für unsere frühen Vorfahren wäre es einem Todesurteil gleichgekommen, vom Rudel ausgestoßen zu werden. Daher sind wir in unserer natürlichen Wesensart altruistisch: Wenn wir ein sozial anerkanntes Mitglied der Gemeinschaft sind, erhöht das unsere Überlebenschancen und die unserer Nachkommen. Erst wenn es darum geht, ob ich verhungere oder der Mitmensch, ist Konkurrenz die chancenreichere Strategie. Der bekannte Neurowissenschafter Bernhard Hufnagel bringt eines der Probleme unserer Zeit auf den Punkt: „Wir handeln viel zu oft so, als ob es um die letzte Banane ginge.“

Die bewussten Hirnregionen des Präfrontalen und des Orbitofrontalen Cortex haben allerdings keinen direkten Zugriff auf die ausführenden motorischen Zentren, die wir von der Mimik, über die Sprache und Gestik bis zum Handeln brauchen. Ob wir Bewegungen ausführen oder auch nicht, entscheiden allerdings letztendlich unter der Großhirnrinde liegende und damit unbewusste Hirnregionen. Wir brauchen die Basalganglien, um in die Gänge zu kommen. Sie steuern unsere Bewegungszentren. Dazu greifen sie auf unser episodisches Gedächtnis zurück: Mit welchen Verhaltensweisen haben wir gute oder schlechte Erfahrungen gesammelt.

Auch einige Neurotransmitter, also Botenstoffe, sind bei der Regulierung unserer Emotionen beteiligt:

  • Dopamin ist der Neuromodulator der Vorfreude auf die Belohnung, dem guten Gefühl, wenn wir es schaffen. Es ist der Stoff, aus dem die Motivation gestrickt ist.
  • Wenn wir uns schmerzliche oder enttäuschende Effekte erzielen, dann schüttet die Amagdyla Cortisol aus, das zu Stressempfinden führt.
  • Seortonin macht uns zufrieden, entspannt und gelassen. Es dient insbesondere auch dazu, dass wir uns nach stressigem Erleben wieder beruhigen.
  • Oxytocin wird bei vertrauensvollen, fürsorglichen Beziehungen ausgeschüttet. Ein wichtiger Stressstoßdämpfer. Und es macht uns risikofreudiger.

Angst und Ärger als Impulsgeber

Im Fürchten sind wir tierisch gut. Diese intensive Emotion signalisiert Gefahr und löst daher Fluchtimpulse aus. Der Grundsatz lautet: „Better safe than sorry“. Lieber einmal zu viel gefürchtet als tot. Deshalb können wir im Stress auch nicht mehr zwischen einem Haar in der Suppe und dem Messer am Skalp unterscheiden. Der Serotoninspiegel sinkt. Serotonin ist der Neurotransmitter, der uns ausgeglichener macht. Weniger Serotonin bewirkt, dass wir uns intensiver fürchten und dann schneller fliehen oder wütender sind und dadurch entschlossener kämpfen. Da weder Flucht noch Kämpfen oder Totstellen geeignete Lösungsstrategien im Business darstellen, braucht es bewusstes Gegensteuern. Angst und Ärger sind schlechte Ratgeber. Sie sind jedoch wertvolle Impulsgeber. So wir mich der Schmerz dazu animiert, die Finger möglichst rasch von der heißen Herdplatte zu ziehen und das auch nie wieder hinzugreifen, bewirken Angst und Ärger erhöhte Aufmerksamkeit auf Gefahren und Feinde. Zwischen dem Auslöser und unserem Handeln braucht es Reflexion.

Kritische Situationen entkatastrophisieren

Im Stress sehen wir aufgrund des niedrigen Serotoninspiegels alles viel dramatischer. So mancher Goldfisch mit Haiflosse wird dann mit einem Hai verwechselt. Da zahlt es sich aus, genauer hinzusehen. Einer der mächtigsten Stressstoßdämpfer ist Humor. In meiner Familie haben wir zu tiefst verinnerlicht: „Irgendwann finden wir es lustig. Dann können wir auch gleich darüber lachen.“ Ist Ihnen schon aufgefallen, dass wir uns gerade Pannen und Missgeschicke im Nachhinein als unterhaltsame Anekdoten erzählen? Tatsächlich gehen die Evolutionspsycholog:innen davon aus, dass sich in der Evolution das Lachen schon bei den Primaten als Stressventil bewährt hat.

Vorausschauender Rückblick

Auf das Gedankenexperiment „Wie werde ich in einiger Zeit auf diese Episode blicken?“ kommt meist die Antwort entweder es ist relativ gleichgültig, weil es auf mein Leben insgesamt kaum Auswirkungen hat oder eine lustige Erinnerung. Eine andere Möglichkeit sich Distanz zum Problem zu verschaffen, ist der Perspektivenwechsel: „Wenn das nicht mir sondern meine:r Freund:in passiert wäre: Was würde ich ihm/ihr empfehlen?“ Ist ihnen schon aufgefallen, dass wir bei anderen viel lösungskompetenter sind als bei uns selbst?

„Was kann schlimmstenfalls passieren?“ am besten in Kombination mit „Was stimmt mich zuversichtlich, dass ich die Herausforderung meistere?“ sind andere wirkungsvolle stressmindernde Gedanken. Letztere Frage lässt sich besonders gut mit „Was habe ich schon bisher geschafft?“ „Welche Stärken von mir haben sich dabei bewährt?“ und „Wie könnte ich diese Stärken auch jetzt nutzen?“ beantworten.

Mit Chancenintelligenz Möglichkeiten mehren

Stress erzeugt auch Tunnelblick: Wir fixieren den Widerpart. Doch statt sich in dem zu verbeißen, was NICHT möglich ist, ist es viel klüger sich umzusehen, welche Alternativen es noch gibt. Dazu brauchen wir Kreativität. Diese ist im Stressmodus deaktiviert, darum ist es so entscheidend, dass wir zunächst wie oben beschrieben mit Reflexion, Zuversicht und Humor die Autoregulation „Raus aus dem Stress“ aktivieren.

Gerade bei sehr eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten ist die Frage sehr nützlich: „Welche von den verbliebenen Optionen ist die beste?“ „Welche Chancen erkenne ich und wie kann ich sie nutzen?“

Von Andreas Ackermann stammt das Akronym „WIDEG: Wofür Ist Das Eine Gelegenheit?“ So habe ich z.B. die durch die vielen Stornos gewonnene Zeit für Weiterbildungen und Weiterentwicklung meines Portfolios genutzt.

Robert Musil betitelt in seinem berühmten Roman „Mann ohne Eigenschaften“ das 4. Kapitel im 1. Teil:

„Wo es Wirklichkeitssinn gibt,
muss es auch Möglichkeitssinn geben.“

In Anlehnung an Musil lade ich Sie ein:

„Schaffen Sie sich mögliche Wirklichkeiten
und nutzen Sie Ihre wirklichen Möglichkeiten!“

Mehr Möglichkeiten sind mehr Erfolgschancen.

Wir brauchen Vorsicht und Zuversicht

Vorsicht und Risikobewusstsein schützen uns im Umgang mit Gefahren und Bedrohungen. Wenn unsere Vorfahren jedoch zu ängstlich gewesen wären, hätten sie auch nicht überlebe. Sie hätten sich z.B. nicht aus der Deckung des Gebüsches ans Wasserloch gewagt. Noch dazu könnte ein Krokodil im Fluss sein. Jagen birgt ein hohes Verletzungsrisiko. Sie hätten auch keine Nachkommen gezeugt, weil wir in der Paarung sehr ungeschützt und auch unaufmerksam bzgl. unserem Umfeld sind. Abgesehen von den verletzungsreichen Kämpfen um die attraktiven Partner:innen.

Evolutionspsycholog:innen haben die These aufgestellt, dass wir uns nicht nur freuen können, um zu lernen, was uns gut tut, sondern auch, um den Mut aufzubringen, uns den Ängsten zu stellen und diese zu überwinden. Im Sinne der Aussage von François Mitterrand: „Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern diese Angst zu überwinden.

Angst vor in Freude auf umpolen

Der Widerstreit zwischen der Lustsuche und Belohnungserwartung – verbunden mit Dopaminausstoß im Hirn – und der Unlust- und Bestrafungsvermeidung – wenig Cortisol und viel Serotonin zur Beruhigung – ist entscheidend für unser Handeln.

„Da draußen gibt es etwas, das wichtiger ist als deine Angst.“ ist der wirkungsvollste Hebel, um lähmende Furcht zu überwinden. Weil ich unbedingt in den artenreichen Riffen der Philippinen tauchen wollte, habe ich sogar meine Schlangenphobie bezwungen. In der Zwischenzeit liebe ich die Begegnungen mit Meeresschlangen, weil überwundene Angst so ein beglückendes Gefühl der Freiheit bewirkt.

Wenn wir uns und andere zu Veränderungen bewegen wollen, dann kommt auf die kluge Ausgewogenheit zwischen Appetenz- d.h. Hin-zu-Motivation und Aversion d.h. Weg-von-Motivation an: Was streben wir an und was wollen wir vermeiden? In den USA spricht man von der Balance zwischen „Winning the Princess“ and „Killing the Dragon“: Die einen kann man mehr mit der Attraktivität der Prinzessin locken und die anderen mit der Bedrohung durch den Drachen aufstacheln.

Neurowissenschaftlich spricht man vom Temperament der Menschen, das sich zwischen den Polen der Appetenz und Aversion in den frühen Schwangerschaftswochen bis wenige Wochen nach der Geburt. Das ist unsere Grundeinstellung als Ausgangsbasis für die spätere Sozialisation und unsere Entwicklung.

Bei Veränderungsprozessen ist es meist wirkungsvoller zunächst mit dem zu vermeidenden Leidensdruck und der Handlungsnotwendigkeit zu beginnen. Viele Changs Projekte bleiben jedoch auf der Strecke, weil sie zu wenig vermitteln, WOFÜR es sich lohnt die in unserer Natur liegenden Veränderungsängste zu überwinden. Zum Glück sind uns auch Neugierde und Interesse in die Wiege gelegt. Als Antriebsmotor unserer Weiterentwicklung.

Risikobewusst statt angstgetrieben

Gefahren zu negieren oder zu verharmlosen ist eine riskante Strategie. Bei einem unserer vielen Tauchgänge mit Haien wollte ein anderer Taucher einen mehrere Meter langen Weißspitzenhochseehai, der durch unsere Gruppe geschwommen ist, berühren. Das ist nicht heldenhaft mutig, sondern leichtsinnig und gemeingefährlich. Das ist die einzige mir verinnerliche Situation gewesen, in der ich handgreiflich wurde und dem Taucher den Arm weggeschlagen habe, um nicht unsere Gruppe zu gefährden.

Foto: Nina Eschner, Manfred Lappe und Monika Herbstrith-Lappe mit Weißspitzenhochseehai, Brother Islands, Rotes Meer, Ägypten

Das Problem besteht darin, dass unsere Angst von archaischen Mustern getriggert wird. Wie z.B. alles, was sich schlängelt oder mehr als 4 Beine hat, könnte giftig sein. Höhe bedeutet Sturzgefahr. Enge schränkt die Fluchtmöglichkeiten und Wehrhaftigkeit ein. Der Hai oder die Riesenkraken bedienen das Klischee „Monster aus der Tiefe.“ Es sterben viel mehr Menschen an herunterfallenden Kokosnüssen als an Haibissen. Das Nilpferd wirkt auf uns gemütlich. Ist aber um ein Vielfaches gefährlicher als ein Krokodil. Das Todesrisiko bei einem Transatlantikflug entspricht dem einen halbstündigen Autofahrt zum Flughafen. So sehr ich intuitives Handeln schätze, weiß ich, dass ich bei der Einschätzung mit Intuition schlecht beraten bin.

  • „Worin besteht die Gefahr?“
  • „Wie kann ich Gefahren erkennen?“
  • „Wie kann ich mich gegen Gefahren schützen?“

sind hier lösungsorientierte Fragen. So wissen wir z.B. als erfahrene Taucher:innen, wann wir gefahrlos mit Hochseehaien tauchen können und was die Anzeichen von Nervosität und daraus resultierend Aggressivität bei Haien sind. Das zeigt sich nämlich in der Schwimmweise und der Flossenhaltung.

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