Etablieren einer Mutkultur gegen Veränderungsängste:
„Sicher ist, dass nichts sicher ist.
Selbst das nicht.“
dieser Ausspruch von Joachim Ringelnatz bringt die aktuellen Zukunftsprognosen auf den Punkt. Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz, Internet of Things, Nanotechnologie, gesellschaftliche Entwicklungen, Klimawandel … bewirken Umbrüche, deren Auswirkungen wir nur ansatzweise ahnen können.
Wie kann man vorausschauend dem nicht Absehbaren begegnen?
Wuki-wuki macht die VUCA-Welt, die gekennzeichnet ist durch Volatilität – alles wird immer extremer und damit schwerer vorhersehbar – Ungewissheit –Complexity/Komplexität inkl. Wechselwirkungen und Aufschaukelungen – und Ambiguität d.h. Doppeldeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten. Wie kann man erfolgreich durch diese Turbulenzen führen?
Vom Strömungstauchen weiß ich:
Je mehr sich unserem Einfluss entzieht,
je stärker und je unberechenbarer die Strömungen sind
desto wichtiger ist achtsame (Selbst-)Steuerung.
Berherzt Veränderungsängsten begegnen
Ein kurzer Wimpernschlag ist die Geschichte der Menschheit in Dimensionen der Erdgeschichte betrachtet. Evolution lebt von Stabilität von erfolgreichen Strategien und kleine Veränderungen, die sich im Umfeld als vorteilhaft erweisen. Der Physik- & Philosophie-Professor Herbert Pietschmann trifft es auf den schmerzlichen Punkt:
„Die radikalste Veränderung ist der Tod.
Wie können wir da Veränderungen im Leben lieben?“
Neuland zu betreten ist evolutionsbiologisch mit Ängsten verbunden: während man im vertrauten Revier treffsicher zwischen Heilsamen und Gefährlichem unterschieden werden kann, birgt unbekanntes Terrain nicht einschätzbare Risiken. Veränderungsängste zu negieren, ist daher kontraproduktiv. Mit den Worten von François Mitterrand:
„Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben,
sondern diese Angst zu überwinden.“
Der erste Schritt besteht darin, sich den Ängsten zu stellen und den Gefahren ins Auge zu blicken.
Risikobewusst statt angstgetrieben
Angst und Ärger sind die mächtigsten Emotionen in unserem Gehirn. Sollen sie uns doch vor Gefahren schützen und unser Überleben sichern, indem wir fliehen oder kämpfen. Da wir aber nicht mehr in der Steppe leben und mit den dortigen Risiken konfrontiert sind, sind sie schlechte Ratgeber. Sehr wohl sollten wir sie aber als Impulsgeber nutzen, um durch die Macht der Emotionen in die Gänge zu kommen. Statt wie von Angst gelähmtes Häschen vor der Schlange zu hocken, gilt es die Gefahren näher zu betrachten.
„Schau der Furcht in die Augen – und sie wird zwinkern“
besagt ein russisches Sprichwort.
Achtung: bei der Einschätzung von Risiken sollten wir nicht unserer Intuition vertrauen, die ist nämlich diesbezüglich höchst verzerrt. So sterben weltweit 100 x mehr Menschen an heruntergefallenen Kokosnüssen und 9 x so viele Menschen beim Selfiemachen als an Haiunfällen.
Mehr zu diesem Themen können Sie hier lesen:
Die grüne Kokosnuss: Risikobewusst statt angstgetrieben
Wertschätzend-kritische Zuversicht
Das Erfolgstrio zum Meistern kritischer Situationen besteht neben der realistischer Einschätzung der Situation aus heiter-souveräner Gelassenheit und Zuversicht inkl. (Selbst-)Vertrauen. Ein zentraler, lebenswichtiger Grundsatz des Tauchens besteht darin: Egal was passiert – don’t panic. Panik macht kurzatmig, was beim Tauchen wie im trockenen Alltag dazu führt, dass man die Kontrolle über sich selbst verliert. Nur wenn man Ruhe wahrt, kann man Lösungen finden. Stress hingegen erzeugt Tunnelblick und verhindert Kreativität, die wir gebrauchen, um improvisierend auch außergewöhnliche Lösungen zu finden. Tief durchzuatmen ist daher eines der wirkungsvollsten Mittel, um der Stressfalle zu entkommen. Lachen hat sich evolutionsgeschichtlich als Stressventil schon bei Affenrudeln bewährt. Humor ist ein wunderbarer Stoßdämpfer gegen die Ecken und Kanten des Lebens. Nutzen Sie die befreiende Wirkung des g’scheiten Blödelns als Nährboden für Kreativität und Innovation.
Von zentraler Bedeutung ist gesundes Selbstvertrauen. Dafür habe ich den Spruch verinnerlicht:
„Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm bricht.
Nicht weil er dem Ast vertraut, sondern seinen Flügeln.“
Eigenwirksamkeit und Selbststeuerung stehen auf der Seite Lösungsorientierung während mit dem Nichtbeinflussbaren zu hadern lähmend Problemen noch mehr Schwere verleiht.
„Was stimmt mich zuversichtlich, dass ich es schaffen werde?“ ist ein Leitgedanken, um Gefahrensituationen zu meistern. „Was habe ich schon geschafft und was traue ich mir daher zu?“ hilft innere Ressourcen zu aktivieren. „Was habe ich schon probiert und was könnte ich noch zusätzlich machen?“ hilft Alternativen zu finden statt in Sackgassen zu verharren.
Eine schwedische Weisheit besagt:
„Auf das Beste hoffen,
auf das Schlimmste gefasst sein
und es nehmen wie es kommt.“
Das trifft den Kern der Resilienz, der Überlebensfähigkeit.
siehe auch:
Über-Lebens-Set für stürmische Zeiten
Angst als Preis der Vorstellungskraft
Wir Homo Sapiens haben uns gegenüber allen anderen großen Säugetieren und Humanoiden durchgesetzt, weil wir nicht nur schon Existierendes sondern auch Vorstellungen von zukünftigen gemeinsamen Errungenschaften kommunizieren können. Zu Zeiten als wir noch jagend und sammelnd herumgezogen sind haben wir schon gemeinsam über Jahrhunderte Kultstätten errichtet. Diese Vorstellungskraft hat eine Schattenseite und das ist die Fähigkeit der Angst vor zukünftigen Gefahren.
„Wenn Vorfreude die schönste Freude ist,
so ist Vorangst die schlimmste Angst.“
Häufig ist es so, dass wir uns im Vorfeld alles viel schlimmer vorstellen, als es dann tatsächlich eintritt. Besonders ausgeprägt wird dieses Phänomen in der Gerüchteküche ausgelebt.
Kommunikation als zentrale Führungsaufgabe
„Am meisten Zeit kosten die Gespräche,
die man versäumt hat zu führen“
dieser Grundsatz gilt ganz besonders in Zeiten dynamischer Veränderungen. Evolutionsbiologisch hat sich unsere Sprachfähigkeit als „Fernkraulen“ entwickelt: Primaten kraulen einander, um die Rudelzughörigkeit zu pflegen. Als die Reviere weitläufiger wurden, haben sie Geräusche genutzt, um die Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen. Vertrautheit und Verlässlichkeit im Rudel machen überlebensstark, krisenfest und stressresistent, Beim Tauchen ist die Klarheit der Kommunikation und Entscheidungen mitunter lebenswichtig. So ist kürzlich beim Tauchen meine Brille gebrochen. Mit meinem Buddy, auf den ich mich blind verlassen kann, war das überhaupt kein Problem. Mit geschlossenen Augen mich an ihn anhaltend haben wir einen geordneten Aufstieg gemacht.
Mangelnde Kommunikation ist hingegen eine dreifache emotionale Ohrfeige:
- wirkt es ausgrenzend, weil es die Eingeweihten von den Ahnungslosen, die Wissenden von den Unwissenden trennt.
- wird es als mangelndes Zutrauen empfunden, weil es die Haltung ausdrückt „Sie brauchen das nicht zu wissen. Sie fangen mit den Informationen nichts an.
- impliziert es die Botschaft „Sie sind es nicht Wert, dass ich mit Ihnen kommuniziere.
„Was weiß ich und was weiß ich derzeit noch nicht?“ bietet Orientierung und stärkt das Vertrauen, dass ich informiert werde, wenn es spruchreif ist.
Freude als Zwilling der Angst
Unsere Fähigkeit der Freude hat sich in der Evolution bewährt, weil es uns hilft Veränderungsängste zu überwinden. Die Ahnung „Da draußen gibt es etwas, das wichtiger ist als meine Angst.“ ermutigt mich, meine Komfortzone zu verlassen und das Wagnis des Neuen einzugehen. So habe ich z.B. meine Schlangenphobie überwunden, weil ich in den artenreichsten Riffen der Welt auf den Philippinen tauchen wollte. Meine Vorfreude darauf hat mich bewogen, die Begegnung mit Wasserschlagen zu wagen. Wenn es gelingt „Angst vor …“ in „Freude auf …“ umzupolen, erschließt uns das tatkräftiges Handeln.
Vielfalt macht überlebensstark
In der Geldveranlagung ist Diversifizierung zur Streuung von Risiken gang und gebe, um für unbekannte zukünftige Entwicklungen breit aufgestellt zu sein. . Organisationen neigen dazu immer wieder Menschen zu engagieren, die dem eigenen Denken ähnlich sind. Heterogenität von Mixed Teams macht kreativ und innovativ, weil es zusätzliche Sichtweisen erschließt und das Handlungsrepertoire erweitert. Der Kybernetiker Heinz von Förster appelliert:
„Handle stets so,
dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird.“
Das Motto meines Möglichkeits-Meeres lautet:
„Vielfalt macht vieles vielleichter
und dadurch viel leichter.“
Erfahrung und Anfängergeist
In unserer Welt er Umbrüche braucht es Erfahrungsschätze und frischen Geist.
„Vom Alten lernen, Neues zu machen“
ist die Devise. Wenn z.B. ein erfahrener Gerätetaucher das Apnoetauchen lernen möchte, so braucht das den Mut zur Demut. Denn er steht wieder am Anfang. Allerdings sind die Erfahrungsschätze des Gerätetauchens auch fürs Apnoetauchen nützlich – wenn man bereit ist, alte Kompetenzen in geändertem Umfeld ganz anders einzusetzen. Steve Jobbs appelliert:
„Stay hungry & stay foolish.“
Gesunde Balance
Erfolgversprechend sind nicht nur beim Tauchen spannende Kombinationen von
- bewährten Kompetenzen mit Lernbereitschaft & Erkundungslust..
- Zielstrebigkeit & Wendigkeit
- entschlossener Tatkraft & freudvollem Einlasssen
- Eigenwirksamkeit & Führung
- Selbstfürsorglichkeit & Achtsamkeit für andere
- Überblick für Orientierung & Achtsamkeit für das Detail
- Risikobewusste Vorausschau & beglückendes Verweilen
- Spontanität & langer Atem
In gekürzter Form ist dieser Text im Magazin TRAiNiNG Nr. 6|September 2019 mit dem Titel „Wissend in die Ungewissheit“ veröffentlicht worden.