Am 7. Oktober 2023 wurde die 1. Speaker Night Vienna von der German Speakers Association & Stimmbaum im Theater-Center Forum veranstaltet. Ich durfte die Festrede gestalten – einerseits für die Speaker:innen, die sich an der Speaker Night beteiligt haben & andererseits natürlich für alle Gäste der Speaker Night Vienna.

Dabei habe ich drei Anliegen verfolgt:

1. Als Naturwissenschafterin lege ich Wert auf fundierte Inhalte.
2. Lebenslanges Lernen ist bei mir nicht nur ein Schlagwort, sondern tiefste gelebte Überzeugung.
3. Mir liegt es am Herzen, Menschen zu ermutigen sich selbst treu zu blieben. Im Sinne der Grußbotschaft von Peter Zadek an die Schauspielstudierenden vom Max Reinhardt Seminar:

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„Wir wollen euch ermöglichen, Euch kennenzulernen,
dazu zu stehen, wer Ihr seid
und nicht immer demonstrieren zu müssen, wer Ihr seid.
Technik ist ein nützlicher Zusatz.“

Zukunft braucht Zuversicht

Oh yessss! Von Herzen gerne gestalte ich diese Festrede. Icing on the Cake zu sein, ist eine meine Lieblingsaufgaben. Spanne auch gerne Brücken. Dieses Mal zur Preisverleihung durch die Jury.

Das Motto unserer GSA-Präsidentin Silvia Ziolkowski

„Zusammen Zukunft zaubern“

hier kann ich es mit jeder Faser meines Herzens spüren.

Und ich bin mir ziemlich sicher: Sie sind genau meine Zielgruppe:

Älter als 20, psychisch gesund, nicht spaßbefreit, glaubt nicht an die flache Erde. Ich muss mit ihnen nicht diskutieren, ob es die Schwerkraft gibt oder nicht. Theatertechniker:innen müssen das Regisseur:innen erst beibringen, dass man auch auf der Bühne die Schwerkraft nicht weginszenieren kann.

Mit meinen naturwissenschaftlichen Wurzeln, lege ich Wert auf fundierte Aussagen. Fakenews empören mich. Ich kann es nicht leiden, wenn man Mythen und erfundene Geschichten mit Wirklichkeit verwechselt.

Darum freue ich mich so auf den GSA-Workshop am 20.11.2023 zum Thema „Wahrhaftigkeit auf der Bühne“, den der großartige Schauspieler, mein lieber Freund Martin Schwanda für uns gestalten wird.

Und ich bin sehr dankbar für Euer Buch „Bullshit Busters“, lieber Christoph Wirl & Axel Ebert, in dem du Bühnenmythen enttarnst.

Ich wünsche mir dringend einen 2. Band. Kürzlich bin ich ja selbst draufgekommen, dass die schöne Geschichte von Kokosnuss & Hai leider nur eine Legende ist. Aber das ist eine andere Geschichte.

Heute möchte ich auch mit Irrglauben aufräumen. Westlicher Irrglaube ist: „Gewinner :innen erzeugen Verlierer:innen.“ „Des Einen Freud und des Anderen Leid.“ Oder wienerisch: „Eine:r hat immer das Bummerl.“ Das muss nicht sein. Unsere Spiele sind Abbild der Glaubenssätze unserer Gesellschaft. Die kann man verändern.

Ist es Ihnen schon aufgefallen, dass es KONkurrenz heißt. Und nicht Contrakurrenz? Miteinander und NICHT gegeneinander laufen. Ähnlich COMpetition. Das heißt wörtlich miteinander suchen.

Ein japanisches Sprichwort besagt:

„Es kommt nicht darauf an, dass du besser bist als andere.
Sondern besser als du gestern warst.“

Darum liebe ich auch die Philosophie unserer Speaker-Community

„Let’s make the pie bigger“

Statt zu streiten, wer das größere Stück von der Torte bekommen, gemeinsam die Torte größer machen. Gemeinsam schaffen wir mehr.

Bevor die Jury die frohe Botschaft der 3 glücklichen Gewinner:innen verkündet, habe ich eine noch frohere Botschaft.

Überraschung. Oder auch nicht. Ihr alle auf der Bühne, ja was sage ich, Sie alle hier im Saal sind Gewinner:innen. Und natürlich auch Sie Leser:innen dieses Blogbeitrags. Wenn Sie es wollen. Wenn Sie sich dafür entscheiden. Wollen Sie es?

Sie gewinnen an Erfahrungen, an Inspiration & Bestärkung. Bereichernde Begegnungen & beglückenden Austausche. Diese wunderbare Atmosphäre. Danke liebe Angela Kiemayer & Silvia Agha-Schantl, lieber Joachim Claucig & Otmar Kastner für die großartige Organisation.

Und ein Link zur Anmeldung im nächsten Jahr – als Speaker:in & als Zuhörer:in gibt es unter dem Rückblick auch schon: Speakers Night Vienna

Das jetzt konnte niemand von Ihnen heute unter Beweis stellen. Ich erzähle es Ihnen aber trotzdem, weil es mir die Gelegenheit gibt, einen Irrtum zu bereinigen: mein lieber Freund & Speaker-Kollege Markus Czerner, vertritt als ehemaliger Tennisathlet die Überzeugung:

„Wahre Gewinner:innen ziehen auch aus Niederlagen Gewinn.“

Weit verbreitet – und dennoch neurobiologisch unsinnig & hausverständig unklug:

„Niederfallen – aufstehen – Krone zurechtrücken – und weitergehen.“

Viel klüger:

„Niederfallen – aufstehen – Krone zurechtrücken – NICHT weitergehen,
sondern nachdenken, was man daraus lernen kann,
damit aus ‚gescheitert‘ ‚gescheiter‘ wird.
Erst dann weitergehen.“

Nur der Buchstabe „t“ trennt „gescheitert“ von „gescheiter“. Als Physikerin freue ich mich, dass t als Abkürzung von time/Zeit steht.

„Ich habe mein Leben überdacht.
Jetzt regnet es nicht mehr rein.“

Überdenken & Reflektieren ist wirklich höchst hilfreich – nicht nur in stürmischen Zeiten.

Das Gegenteil stimmt auch:

„Je größer der Dachschaden desto besser der Blick auf den Sternenhimmel.“

Am besten ein Schiebedach: Assoziieren mit dem Erfreulichen. Dissoziieren mit dem Unerfreulichen.

Übrigens die japanische Weisheit

„7 x hinfallen und 8 x aufstehen“

beinhaltet auch einen Irrtum: Es reicht, wenn Sie 7 x aufstehen, um wieder zu stehen.

Nächster Irrglaube:

Wer von Ihnen hat in der Schule gerne Verbesserung geschrieben. „Juchu: ich darf mich verbessern.“ Wir glauben immer noch, dass besser von schlecht kommt. Dabei ist es die Steigerung von GUT. Ich bin schon sehr gut und möchte noch besser werden.

Im Sinne von Laotse:

„Kritisiere einen schlauen Menschen & er/sie wird sich bedanken.
Kritisiere einen dummen Menschen & er/sie wird dich beleidigen.“

Wahre Gewinner:innen nutzen die Möglichkeit Feedback zu bekommen & damit wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen.

Gleich daneben ist der Irrglaube: Lernen muss man, wenn man noch dumm ist. Weiterbildung braucht man, weil man noch schlecht ist. Das Gegenteil ist der Fall: Sich weiterbilden & lernen kann man, weil man schon viel weiß.

„Je buchtenreicher die Landkarte des Wissens
desto mehr neues Wissen kann andocken.“

Weil ich viele Fische kenne, entdecke ich viele Fische. Wenn mir ein Fisch unbekannt vorkommt, weiß ich, wo ich zu suchen beginnen kann, um mich schlau zu machen. Wenn ich noch im Stadium „viele bunte Fische“ wäre, könnte ich kaum neue Fische entdecken.

Deshalb bin ich auch Weiterbildungs-Junkie – inhaltlich & bzgl. Bühnenperformance. Natürlich bin ich dabei sehr wählerisch. Als Profi will ich von den Besten lernen. Wenn ich mich nicht mehr weiterbilde bin ich tot. Bis vor kurzem habe ich an das lernfreudige Hirn von uns Menschen geglaubt. Jetzt nicht mehr. Weil jetzt weiß ich es neurobiologisch bestätigt, dass wir artgerecht gehalten bis ins hohe Alter ein lernfreudiges Hirn haben.

Fällt mir gleich noch ein weit verbreiteter Irrglaube ein: Am meisten lernt man aus Fehlern. Unsinn!

Ja, es ist wichtig aus Fehlern zu lernen UND noch wichtiger aus Fehlern zu lernen. Laut Harvard-Studie ist das Verhältnis 1 zu 5. 5 x so viel „Mehr von dem tun, das sich bewährt hat“ als „Das mache ich zukünftig anders, weil ich damit schlechte Erfahrungen gemacht habe.“

Ach ja: Und deshalb bin ich eine Gegnerin der Fort-Bildung. Ich liebe Hin-Bildung: Fortbildung ist es, einen Fisch in Kletterkunde zu unterrichten. Oder mich in Buchhaltung. Viel klüger ist es, dem Fisch Schwimmunterricht zu geben, damit er NOCH besser schwimmen kann und ich bin zur Meisterklasse Improtheater angemeldet.

Wenn es nach mir ginge, würde in jeder Bildungseinrichtung der Spruch hängen:

„Nutze die Talente, die du hast,
die Wälder wären sehr stumm, wenn nur die hochbegabten Vögel sängen.“

Damit komme ich zu einer archaischen Verzerrung unseres Gehirns. Vergleichen macht unglücklich. Es ist ein äffisches Prinzip. Machen die anderen Affen auch. Ja, das ist eine schlechte Nachricht: Konrad Lorenz hat leider Recht:

„Der Übergang vom Affen zum Menschen das sind wir.“

Wir sind Trockennasenaffen. Wenn die Nase läuft sind wir krank. Wir sind keine Nassnasenaffen, das sind die Lemuren. Trockennasenaffen – Menschenaffen – die einzig überlebenden Homininis.

Frans de Waal hat mit Kapuzineräffchen einen Versuch gemacht. 2 Äffchen nebeneinander im Käfig, so dass sie sich sehen können. Anfangs bekommen sie beide Gurken. Sie lieben die Gurken. Dann bekommt das eine Äffchen weiterhin Gurken und das Andere Weintrauben. Weintrauben schmecken Affen noch besser. Und jetzt passiert es: Das Äffchen das bisher die Gurken geliebt hat. Mag die Gurken nicht mehr. Es schmeißt sie wütend aus dem Käfig. Wenn ich die Weintraube nicht bekommen, mag ich auch nicht die Gurken. Ich gebe zu bedenken: Eine Gurke ist genau eine Gurke mehr als keine Gurke.

Bevor jetzt gleich die Jury verkündet, wer von Ihnen eine goldene Weintraube bekommt und das Ihnen hoffentlich nicht die Freude über die vielen goldenen Gurken schmälert, habe ich eine noch frohere Botschaft:

Sie alle sind nicht nur Gewinner:innen. Sie sind auch Gewinn. Gewinn für unsere Zukunft. Meine Devise ist

„Zukunft braucht Zuversicht“

Passt so gut zu

„Zusammen Zukunft zaubern“

unserer Präsidentin Silvia. Und Sie alle stimmen mich zuversichtlich. Weil jede & jeder Einzelne von Ihnen individuelle Stärken hat. Wissen Sie warum ich das weiß? Weil Sie da sind. Wahre Looser schaffen es nicht zur Speaker Night. Sie alle haben schon viele Herausforderungen gemeistert. D.h. Sie haben mehr richtig als falsch gemacht.

Um unsere Zuversicht zu stärken, lade ich Sie ein, sich aufrecht hinzusetzen, Ihr Krone zurechtzurücken – Männer, wenn Ihnen das zu weibisch ist wie James Bond rückt seine Manschettenknöpfe zurecht. Auf Schulterhöhe die Ellbogen in die Handfläche legen und sich immer wieder auf die Schulter klopfen: „Ich habe schon so viel geschafft. Da schaffe ich auch die aktuellen & zukünftigen Herausforderungen.“

Lasst uns zusammen Zukunft zaubern!

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